Reisebericht von der
Expedition zum Pik Lenin 1992

(Hauser Exkursionen)
11. Juli bis 5. August 1992

Expeditionsleitung: Horst Kaluza
Teilnehmer:
Claudia Bäumler, Hartmut Bielefeldt, Stefan Duscher, Helmut Eibl, Ernst Hentschel, Dieter Krautschitsch, Joachim Lucht, Frank Renner, Johannes Reuther, Hermann Rottwinkel, Ralf Rumpa, Dieter Schmidt
Verfasser dieses Textes: Hartmut Bielefeldt

Kurzzusammenfassung - Berge
Pik Razdelnaja6148 m
Pik Lenin7134 m

1. Tag: Samstag, 11. Juli

Frankfurt - Moskau

Pünktlich um 12 Uhr treffen sich die Teilnehmer im Flughafen Frankfurt; die Münchner Mehrheit kommt etwas später. Während sich einige sehr gut an das Limit von 20 kg Fluggepäck gehalten haben (und dafür entsprechend an ihrem "Handgepäck" zu schleppen haben ), kommen andere gleich mit 30 kg an Dazu kommt noch einiges an Allgemeinausrüstung: Horst kommt mit zwei Plastiktonnen zusätzlich angerückt. Das gibt insgesamt 409 statt der erlaubten 260 kg, und die Bezahlung der Differenz wird unnachgiebig gefordert. Das kostet unseren Chef erst mal 1600 Mark.

Mein Handgepäck darf viermal durch die Durchleuchtung, weil die Stirnlampenbatterie so ungünstig unter dem Zelthering liegt, dass die Phantasie der Durchleuchtungsbeamtin überfordert ist. Aeroflot bietet für die Strecke Frankfurt-Moskau immerhin eine Iljuschin 86 auf; das Essen ist gut, der trockene Rotwein alles andere als trocken (aber Bier würde extra kosten), und wir kommen pünktlich um 19 Uhr in Moskau an. Die Gepäckausgabe ist eine ziemliche Geduldsprobe; eine Dreiviertelstunde warten wir auf die Sachen. Dafür geht die Zollabfertigung dann relativ zügig. Der einzige Inhalt dieser ist schließich, dass das Deviseneinfuhrerklärungsformular - das nach der Freigabe des Rubels ja sowieso unnötig sein dürfte - von einem Beamten unterschrieben wird.

Zum Glück steht unser Bus schon bereit. Der Flughafen liegt weit außerhalb. Wenn die vierspurige Moskauer Ringstraße repräsentativ für das russische Straßennetz ist, dann sieht es eher düster aus; viel mehr als die vorgeschriebenen 60 kann man dort sowieso nicht fahren. Es wird sich herausstellen, dass das eher Gewöhnungssache ist. Es sind ja immerhin auch Situationen denkbar, in denen man sich über derartige Straßen wieder freuen kann. Überhaupt scheinen mehr Autos defekt am Straßenrand zu stehen als sich fahrenderweise in den Straßen befinden. Zu berücksichtigen ist dabei wohl die opulente Oktanzahl des russischen Benzins von 76.

Ankunft im Hotel um 21 Uhr. Die Zimmer sind sauber, sogar mit Fernseher (viel versteht man allerdings nicht). Das Hotel "Saljut" mit immerhin 2000 Betten wurde für die Olympiade '80 gebaut. Einzig hinderlich ist, dass unsere Zimmer im 10. Stock liegen und der Aufzug äußerst gemütlich ist.

Basiliuskathedrale am Roten Platz in Moskau
Basiliuskathedrale am Roten Platz in Moskau

Nach dem Abendessen geht es mit dem Bus in die Innenstadt, wo wir um 23.00 die Wachablösung am Lenin-Mausoleum besichtigen und uns den Roten Platz mit Umgebung ansehen. Der Platz ist übrigens erstaunlich klein. Die ganze Besichtigungsfahrt in Begleitung der zwei Damen, die von der Organisation wohl als Reiseleiter vorgesehen waren, aber kein Wort deutsch sprechen und daher leicht deplaziert erscheinen. Zurück im Hotel um Mitternacht. Bier kostet $ 2, die Flasche Fanta $ 1 (unter der Bezeichnung ФАНТА, also zumindest in Russland zusammengemischt).

2. Tag: Sonntag, 12. Juli

Moskau

Erste Information über den Wechselkurs: Der Kellner tauscht 10 DM gegen 860 Rubel. Es folgt eine etwas hektische Stadtrundfahrt mit Lomonossov-Universität, Sperlingsbergen (ehem. Leninberge) mit Aussicht auf die ganze Stadt, vielen Denkmälern und noch mehr Gebäuden, die sich alle sehr ähneln. Im ganzen Stadtgebiet gibt es praktisch keine mittelgroßen Häuser: Die Außenbezirke bestehen aus riesigen Hochhaus-Klötzern, die dort mit relativ großem Abstand voneinander gebaut sind, teilweise mit Wald dazwischen. Je näher am Stadtzentrum, desto dichter stehen sie, und desto älter sind sie natürlich. Dort sind sie meist auch nur 6-8 Stockwerke hoch.

Am Roten Platz ein anderes Bild als gestern abend: Absperrgitter und Taschenkontrollen; Fotoapparate bleiben draußen. Der ganze Aufwand, weil Besichtigungszeit fürs Lenin-Mausoleum ist. Überall stehen Uniformierte herum, die den Besucherstrom in die richtigen Bahnen lenken. Spätes Mittagessen im Restaurant "Moskva". Am Nachmittag Besichtigung des Kreml. Besonders die Rüstkammer liegt unserem Fremdenführer sehr am Herzen. Er bemüht sich auch aufs Äußerste, dass niemand seine Vitrinen-Reihenfolge mißachtet. In den einzelnen Kreml-Kathedralen zählen die Kassiererinnen die 20-Kopeken-Eintrittskarten eher nach Metern von der Rolle ab, denn der Eintritt kostet natürlich schon lange keine 20 Kopeken mehr. Der Reiseführer schenkt Claudia drei Rosen, was ihr für den Rest der Reise den Spitznamen Dornröschen einträgt. Abends folgt noch ein Besuch im Zirkus, in der Pause kurzes Abendessen (wieder vorbildlich organisiert, aber ziemlich elitär, bedenkt man die Einkommensverhältnisse in Russland heutzutage). Spätabends eine dreiviertelstündige Busfahrt zum Inlandsflughafen Domodedovo. Nach längeren Verhandlungen können wir mit dem Bus von hinten zur Abfertigung fahren und das Gepäck dort abladen. Gleichzeitig kommt die Gruppe der Schweizer Bergsteigerschule Jura an. Mit dem Gepäck gibt es einige Probleme, weil zwei andere Expeditionen auch mit Übergepäck nach Osch fliegen wollen. In der Ungewißeit, ob unsere letzten drei Gepäckstücke auch dabei sind, besteigen wir nachts um zwei das Flugzeug.

3. Tag: Montag, 13. Juli

Moskau - Osch - Basislager Atschik Tasch

Nach kurzem Schlaf - der Passagierraum leidet unter chronischem Sauerstoffmangel, denn das Flugzeug ist bis auf den letzten Platz ausgebucht - weckt uns das Essen. Der dabei gereichte Aeroflot-Inlandsflug-Gummiadler hält geschmacksmäßig jeden Vergleich mit anderen Erzeugnissen der ehemals sowjetischen chemischen Industrie stand. Von der Größe her muss es ein Bonsai-Huhn gewesen sein.

Um 6.30 Uhr Moskauer Zeit (8.30 Ortszeit) Landung in Osch. Übrigens gilt für die Flugplätze innerhalb der früheren Sowjetunion überall die Moskauer Zeit, und danach sind auch die Uhren im Flughafengebäude gestellt.

Wieder ist alles perfekt organisiert: Nach ausgiebigem Frühstück es einen Ausflug zum Bazar. Zwar sind wir dort als Touristen klar zu erkennen (und zahlen wohl auch entsprechend Touristenpreise von 35 Rubel für ein Glas Honig oder 30 Rubel für eine Melone), aber offensichtlich dient der Bazar nicht als Touristenattraktion, sondern wirklich als hauptsächliche Einkaufsstelle der hiesigen Bevölkerung. Die sieht genau so aus, wie man sich Mittelasiaten vorstellt.

Auf dem Bazar in Osch
Gewürzstand auf dem Bazar in Osch

Bei der Rückkunft am Flugplatz steht das Gepäck bereits beim Hubschrauber. Die Teilnehmer der Hauser- und der Schweizer Expedition sowie einige weitere Fluggäste, das Gepäck beider Expeditionen und noch die Vorrät fürs Basislager werden eingeladen. Ein gutes Drittel der 30 Passagiere hat Sitzplätze, der Rest hängt irgendwie zwischen dem Gepäck herum. Mit einiger Mühe erhebt sich der völlig überladene Vogel, und nach einem dreiviertelstündigen Flug über das vier- bis fünfausend Meter hohe Alaigebirge erreichen wir das Basislager Atschik Tasch (3600 m, zumindest nach der Mehrheit der kursierenden Höhenangaben. Wir kommen allerdings später zur Erkenntnis, dass 3700 besser stimmen dürfte).

Dort gibt es gleich Mittagessen. Wir wir später feststellen, ähnelt das Essen sich von Tag zu Tag zwar etwas, ist aber immer reichlich und gut, einschließich Obst und Gemüse. Tee gibt es sowieso immer genügend.

Ankunft im Basislager
Ankunft im Basislager.

Nachmittags findet eine Zusammenkunft zum Gedenken der Opfer des Lawinenunglück vom 13. Juli 1990 statt. In einer durch ein Erdbeben ausgelösten Eislawine kamen damals 43 (!) Bergsteiger ums Leben.

Am Nachmittag machen die einzelnen mehr oder weniger Spaziergänge. Claudia und ich finden in den Berghängen nördlich vom Basislager Unmengen von Edelweiß. Bei genauerem Hinsehen ist überall alles voll von Edelweiß, man hat schon fast ein schlechtes Gewissen dabei, irgendwo durch die Wiese zu gehen bei den Mengen, die man dabei zwangsweise zertritt.

Abends weist uns Übersetzerin Galina in die Infrastruktur des Basislagers ein: Es gibt Toiletten, eine Dusche mit Sauna, aber keine Waschbecken. Das Bachwasser sei unbedenklich, daher findet Waschen, Zähneputzen etc. unterhalb und das Trinkwasserfassen oberhalb der Kantine statt. Frühstück gibt es um 8.30, Mittagessen um 14.00 und Abendessen um 19.30; alles sind warme Mahlzeiten.

4. Tag: Dienstag, 14. Juli

Basislager

Übungstag im Basislager. Als erstes wird der Auf- und Abbau der Zelte geprobt, was meist ohne Komplikationen abläuft. Schwieriger wird es schon beim Kocher: Wenigstens Claudia kann die Herren in Handhabung und Pflege des Benzinkochers einweisen, bevor sie unfreiwillig die Wiese abfackeln würden. Auch das Üben mit den Funkgeräten ist etwas chaotisch, weil die korrekte Frequenzeinstellung nicht reproduzierbar zu sein scheint und die Bedienungsanleitung auf japanisch ist. Immerhin bekommen wir es bei allen vier Geräten hin, und danach darf man einfach außer ein/aus und der Sprechtaste nichts mehr berühren. Die Übung zu Anseilen und Spaltenbergung, insbesondere der Flaschenzug, bleibt uns allen noch in Erinnerung als Höhepunkt des Durcheinanders. Am Nachmittag nimmt unsere Gruppe das gemeinsame Essen für die Hochlager in Empfang. Nachdem wir den Zettel mit den Mengenangaben ausgefüllt haben, ist er auch bald nicht mehr auffindbar. Die Aufteilung der Lebensmittel erfolgt also nach Gedächtnis, und der kirgisische Lagerverwalter bekommt fast einen Herzinfarkt, wenn sich mehr als drei Leute gleichzeitig in seinem Lager aufhalten. Aber Plastiktüten hat er keine.

Am Abend ein kleiner Spaziergang, der uns die Schwierigkeiten beim Überwinden der Gewässer vor Augen führt. Nach dem Abendessen leisten wir uns noch den Luxus einer Dusche, es dürfte für längere Zeit die letzte gewesen sein.

5. Tag: Mittwoch, 15. Juli

Lager 1 - Basislager

Morgens ein Spaziergang, bei dem es mir gelingt, den ersten Bach zu überschreiten. Daraufhin kann ich feststellen, dass der zweite Bach ohne irgendwelche Schneebrücken völlig unüberschreitbar ist, sodass die Berge auf der orographisch rechten Talseite unerreichbar sein dürften.

Vormittags Besprechung mit dem Lagerleiter. Der Hauptpunkt ist der, dass alle Teilnehmer mit dem Gepäck mit dem Heli nach Lager 1 fliegen, das Lager aufbauen und zu Fuß ins Basislager zurückkehren wollen, um am nächsten Tag mit leichtem Gepäck das Lager zu Fuß zu erreichen. Die Mitnahme der Personen soll $ 12 pro Nase kosten, was in Relation zu den $ 16 des Fluges von Osch hierher etwas viel ist; insbesondere da der Materialtransport an sich umsonst ist und sowieso stattfindet. Man kann dem Leiter klarmachen, dass wir uns natürlich nicht um den (für die Akklimatisation wichtigen) Aufstieg zu Lager 1 drücken wollen. Die Vertreterin der Hubschrauberfirma kann aber keine Argumente für ihren Preis bringen; offensichtlich will sie einfach möglichst viel Geld machen. Später einigt man sich mit Hilfe der Dolmetscherin auf $ 90 für alle.

Mittags um 12 findet der Flug statt. Den Nachmittag ebnen wir die Plätze auf dem schuttbedeckten Gletscher auf 4500 m ein und stellen die Zelte auf.

Bei bewölktem Wetter nimmt der Abstieg zum Basislager knapp über drei Stunden in Anspruch. Beim Überqueren des Baches kurz nach Verlassen des Gletschers nimmt der russische Trainer ein unfreiwilliges Vollbad, als er Claudia den Stein zum Überqueren des Baches zeigen will (der war aber leider rutschig).

Die Gegensteigung zum Mehlpass (4190 m) ist ziemlich mühsam. Der Name des Passes rührt wohl von der Gesteinsbeschaffenheit her. Mal sehen, wie der Pass aussieht, wenn es nass ist.

Kurz nach unserer Rückkehr beginnt das Scheißwetter. Provisorische Zelt-Abdicht-Aktionen mit Plastikfolie bringen wenigstens bis morgen einigermaßen Sicherheit. Nach dem Abendessen philosophiert man über die Sachen, die man jetzt hier bräuchte und die in Lager 1 deponiert sind, oder über jetzt so nützliche Dinge wie Daunenjacke statt des obengelassenen Regenkittels. Unser Zelt ist zumindest am Abend noch einigermaßen dicht, sodass wir nicht die Flucht ins improvisierte Massenlager im Speisesaal antreten müssen.

6. Tag: Donnerstag, 16. Juli

Basislager - Lager 1

Heute beziehen wir Lager 1. Das Wetter scheint sich daffür aber eher weniger zu interessieren. Am "oberen Basislager" (3880 m) gibt es eine Pause dank gastfreundlicher Russen, die es nicht mitansehen können, wie wir uns im strömenden Regen voranmühen. Nach 40 Minuten ist es vorläufig wieder trocken, sodass die Schlammschlacht hinauf zum Mehlpass nicht so schlimm wird wie befürchtet. Stefan geht es nicht hundertprozentig, er dreht daher um, wobei ihm Ralf beim Gepäcktragen an der Gegensteigung hilft. Nach seiner Rückkehr im Basislager verordnet ihm der Arzt, die Tour zu beenden und nach Moskau oder nach Hause zu fliegen. So ist für ihn die Tour schon nach wenigen Tagen beendet (das erfahren wir aber erst nach zwei Tagen). Bis Ralf dann am Übergang über den Bach eintrifft, gießt es schon wieder prächtig. Mit mehr oder weniger Regen und Schnee ziehen sich die zweieinhalb Stunden bis zum Lager ewig lang.

Oben angekommen, ist an Ausruhen allerdings noch nicht zu denken: Zuerst muss das Zelt von den daraufgewehten Schneemassen befreit werden, die völlig durchnässten Klamotten müssen gewechselt werden, und möglichst gleichzeitig sollte auch Heisswasser für den Tee entstehen. Dazu muss man allerdings den Kerosinkocher erst mal zum Laufen bringen. Währenddessen schneit es, was es nur kann. Um neun wird es dunkel, man verzieht sich ins Zelt. Nach einigen Umräumaktionen kann man schließlich ans Schlafen denken. Sich mit dem Schlafsack zu drehen, geht nur für beide gleichzeitig, weil die am Rand liegende nasse Wäsche das Platzangebot gehörig minimiert.

7. Tag: Freitag, 17. Juli

Lager 1

Die ersten können es schon um sieben nicht mehr im Schlafsack aushalten und laborieren lautstark herum. Heute ist Ruhetag angesagt: Trocknen der nassen Sachen in der heute wieder vorhandenen Sonne, genügend Essen und Akklimatisation.

Erstmals sehen wir vom Lager aus den Gipfel. Die 2700 Meter hohe Nordwand geht in einem Rutsch zum Gipfel. Rutschen tut heute sowieso ziemlich viel dort: Die Neuschneemassen entladen sich in beachtlichen Lawinen. Man täuscht sich leicht in der Dimension dieser Flanke, da sie eher gleichmäßig und nicht allzu steil ist.

Mittlerweile haben wir von den meisten anderen Gruppen, besonders den beiden Schweizern (Bergsteigerschule Jura und Eiselin) Besuch erhalten, was teilweise recht informativ war. Das am Abend über uns hereinbrechende Gewitter vereitelt die Zubereitung von Milchreis, sodass es wieder Fleisch aus russischer Dose gibt. Erst nachts kommt uns die Erleuchtung, dass genau dieses Fleisch für Claudias und meinen Durchfall verantwortlich sein könnte.

Lagerleben in Lager 1
Wäsche trocknen im Lager 1

8 . Tag: Samstag, 18. Juli

Lager 1 - Lager 2 - Lager 1

Morgens um halb drei wird geweckt (eigentlich ging der Lärm ja schon um zwei los). Das Rumoren im Magen (Fleischkonserven) lässt den Aufbruch noch ungewiss erscheinen. Zu allem Überfluss geht auch noch die Gamasche kaputt. Nichtsdestotrotz gehe ich (eben ohne Gamaschen, aber mit wieder ruhigem Magen) mit; Claudia erholt sich noch einen Tag.

Abmarsch mit ziemlich viel Gepäck zur Einrichtung von Lager 2 um vier Uhr. Die ersten 250 Höhenmeter laufen kolossal gut: Spaßeshalber zähle ich Schritte wie auf unseren alpinen Viertausendern, wo man natürlich nicht annähernd so gute Akklimatisation hat, und komme bis 2170 bis zum erstenmal Stehenbleiben, und das hat auch nur den Grund, dass ich die anderen nicht gut über den Haufen rennen kann. Der folgende Steilhang sorgt dafür, dass ich die Schneeketten nicht umsonst mitgeschleppt habe. Mittlerweile sind die ersten vier eingeholt. Knapp eine Stunde später stößt auch Johannes dazu. Bei der Rast um 6.30 Uhr habe ich mit 4990 m endlich außeralpine Höhe erreicht. Um halb acht (5150 m) wird es sonnig und wärmer. Als die maximale Höhe erreicht ist (5400 m), steht uns noch eine Querung bis zum Lagerplatz bevor, die eine Dreiviertelstunde und unzählige Verschnaufpause erfordert. Um 10.15 erreichen wir Lager 2.

Funkverbindung zu Lager 1 kommt aus irgendwelchen Gründen nicht zustande. Der zuerst für den Zeltbau vorgesehene Platz erweist sich als im Zweimeter-Abstand von Spalten durchzogen; am neuen Platz bauen Helmut und ich zwei Zelte auf. Der Rest inclusive Chef regeneriert sich derweil. Hannes bereitet in rauhen Mengen Wasser zu. Gerade als ich auch zum Regenerieren schreiten will, kommt ein Russe vorbei und fragt nach einer Heiser-Gruppe oder so ähnlich, am Beginn der Querung säße jemand ziemlich erledigt. Der nächste Vorbeikommende erzählt sogar noch von einem, der weiter unten herumsäße und talwärts schaue, aber keinen "Hilferuf" abgesetzt hat. Natürlich sind die meisten anderen vom Aufstieg immer noch so kaputt, dass die Erkundung an mir hängenbleibt. In der Querung treffe ich auf Ernst und Dieter; ersterer geht einfach sehr langsam, letzterer hat Ärger mit dem Kreislauf. Um etwas Gepäck erleichtert, erreicht auch er eine halbe Stunde später das Lager, wo sich immer noch alle regenerieren und hauptsächlich in den zwei Zelten herumliegen.

Nach langer Erholungszeit in der Sonne wird noch schnell das dritte Zelt aufgebaut und weitere größere Mengen Tee gekocht. Um 17 Uhr Abmarsch, um 19 Uhr zurück in Lager 1. Den letzten Kilometer vorm Lager begegnen uns als Empfangskomitee nacheinander Claudia, Joachim und Dieter K, jeweils mit einer Flasche Tee. Wenn auch das nicht unbedingt nötig gewesen wäre, muss man doch zugeben, dass der Tag ordentlich anstrengend war.

Wie wir von den dreien erfahren, wurde der vierte Zurückgebliebene, Ralf, mit dem Helikopter ausgeflogen, da er sich - vermutlich beim regnerischen Aufstieg zum Lager 1 - anscheinend eine Lungenentzündung zugezogen hat.

9. Tag: Sonntag, 19. Juli

Lager 1

Zwei der gestern Daheimgebliebenen brauchen noch einen Erholungstag. Claudia will das schöne Wetter nutzen und geht morgens um halb drei mit der Schweizer Gruppe zum Lager 2. Dabei nimmt sie neben der Kleidung, die dort deponiert wird, auch einen Kocher mit und sammelt Dieters auf 5200 m liegengelassenes Zelt ein.

Um zu klären, ob sie gut angekommen ist, hängen wir uns um zehn Uhr an das morgendliche Funkgespräch des DAV Summit Club. Die haben allerdings Lager 2 bereits verlassen und können uns daher keine Auskunft geben. Das ist aber auch gar nicht nötig: Eine halbe Stunde später kommt Claudia zurück. Die Schweizer waren gerast wie die Weltmeister und hatten das Lager nach nur vier Stunden erreicht. Nach Hinterlegung von Kocher, Zelt und Klamotten rast sie daher mit ihnen wieder talwärts und ist nach insgesamt acht Stunden wieder da.

Nachmittags Lagebesprechung, Aufteilung der restlichen Gemeinschaftsausrüstung für Lager 2 und 3 und grobe Planung für die nächsten Tage. Für den 23. soll angeblich Schlechtwetter angesagt sein.

Am Abend bringt der Heli Brot, Obst ( 1 1/2 Äpfel pro Nase), Gemüse und eine Melone für uns.

10. Tag: Montag, 20. Juli

Lager 1

Helmut, Hannes, Hermann und Frank sind morgens um drei nach Lager 2 aufgebrochen, um dann dort zu übernachten und am folgenden Tag Lager 3 aufzubauen. Der Rest ruht sich noch einen Tag aus. Horst hat heute Geburtstag. Unschönes Geburtstagsgeschenk: Dieter K hustet schon seit einigen Tagen. Die Ärztin verordnet ihm einen mehrtägigen Aufenthalt im Basislager zur Erholung.

Mittlerweile fällt auch Claudia auf, dass die kleine Spalte zwei Meter neben unserem Zelt langsam breiter wird. Inzwischen kann man schon den Fuß hineinstellen. Man hört es ja auch ständig im Gletscher knacken.

Am Nachmittag wird auch Joachim ins Basislager geflogen, da waren's nur noch neun. Übrigens: Der Hubschrauber kann zumindest bis 5600 m fliegen; der Pilot hat bei der Gelegenheit ausprobiert, ob es bis Lager 2 reicht.

11. Tag: Dienstag, 21. Juli

Lager 1 - Lager 2

Früh am Morgen auf dem Weg nach Lager 2
Früh am Morgen auf dem Weg von Lager 1 nach Lager 2.

Die restlichen fünf in Lager 1 verbliebenen gehen heute nach Lager 2. Der Rucksack ist nicht wesentlich leichter als vor 3 Tagen, es dauert diesmal nur 5 1/2 Stunden. Claudia freut sich ganz besonders, weil sie unserem Chef geglaubt hat, der ständig behauptet, für den Weg zum Lager 2 brauche man keine Steigeisen. Ich hatte die Eisen drei Tage vorher nicht obengelassen und kann daher ihre Freude nicht ganz teilen.

Als die ersten drei (Horst, Claudia und ich) oben ankommen, beginnt es zu schneien. Die anderen beiden kommen auch nach vier Stunden nicht nach - vermutlich haben sie also umgedreht. Den ganzen Tag wechselt Schneefall mit Aufhellungen, oft beides gleichzeitig. Nachdem wir den Rest des Vormittags glatt verschlafen haben, geht der Nachmittag mit Einrichten, Kochen und Essen drauf.

Um halb vier kommen die Lager 3-Einrichter wieder zurück und berichten von mühsamer Schneestapferei im Aufstieg zum Pik Razdelnaja. Hermann kann die sehnsuchtsvoll erwarteten Skistöcke in Empfang nehmen.

Um halb fünf kommt tatsächlich noch Ernst, mitsamt einem Zelt. Zwölf Stunden hat er für den Weg gebraucht.

Am Abend wird wieder der weitere Verlauf geplant. Dieter 1 war zurückgegangen ins Lager 1. Leider haben wir das Funkgerät von dort mitgenommen. Andererseits ist auch nicht gesagt, dass er nicht schon ins Basislager abgestiegen ist. Die übrigen sieben - außer Ernst - sollen zwei Ruhetage machen. Dann wäre auch die Bergsteigerschule Jura da, und es wären etwa 15 Leute zum Spuren verfügbar.

12. Tag: Mittwoch, 22. Juli

Lager 2

Horst ist schon früh am Morgen aufwärts gegangen. Mit dieser Einzelkämpferaktion sollen ein Zelt, Horsts Verpflegung und Horst nach Lager 3 gelangen.

Für 5400 Meter schläft es sich hier prächtig: Außer dem ständigen Durst gibt es praktisch keine Beschwerden. Im Lauf des Tages gesellt sich sowohl bei mir wie auch bei Claudia ein Durchfall dazu, dessen Grund aber schnell ausgemacht ist: kaltes Schneewasser, denn Quellwasser oder überhaupt von sich aus flüssiges Wasser haben wir hier fast nicht. Dementsprechend laufen auch die Kocher den ganzen Vormittag, bis auch jeder sein Süppchen, Teechen oder seine gefriergetrocknete Höhennahrung zubereitet hat. Besonders letztere erfreut sich großer Beliebtheit - besonders die Doppelpackungen.

Um eins erfahren wir über Funk, dass Horst eine halbe Stunde zuvor in Lager 3 angekommen ist. Er hatte sich eine Zeitlang eingegraben, weil morgens ziemlicher Sturm war. Außerdem ist sein schönes Salewa-Steigeisen kaputtgegangen. In Anbetracht des guten Wetters möchten wir eher zu acht (einschließich eines weiteren Deutschen, Sepp, dessen Kollege wegen Höhenkrankheit absteigen musste) morgen nach Lager 3 aufsteigen und übermorgen den Gipfel in Angriff nehmen.

13. Tag: Donnerstag, 23. Juli

Lager 2 - Lager 3

Morgens um sechs ist die Welt noch in Ordnung. Um sieben kann man das nicht mehr sagen: Von irgendwoher haben sich Wolken angepirscht, es schneit kräftig. Nachdem auch Hannes' Kocheraktionen beendet sind, bricht man auf. Nach dem Steilhang auf 5660 m machen wir die erste Pause nach anderthalb Stunden; es schneit, was es nur kann. Je höher wir auf dem Rücken kommen, desto horizontaler kommen die Flöckchen angeschossen. Am "Lager 2 1/2" - einigen Zelten, die zwischen Lager 2 und 3 auf 5790 m aufgestellt sind - gibt es erst mal Pause: Sturm um 100 Sachen und -10 Grad Kälte werden erst mal hinter einem schützenden hüfthohen Schneemäuerchen abgewartet.

Und tatsächlich nimmt der Sturm ab, als wir einige Minuten wieder unterwegs sind. Der folgende Steilhang zieht sich endlos. Kurz nach 12 Uhr ist der Pik Razdelnaja (6148 m) erreicht, und eine halbe Stunde Abstieg und Querung später kommen wir am Lager 3 (6050 m) an.

Dort ist es trotz leichten Schneefalls ziemlich warm. Im Lauf des Nachmittags stellen sich immer stärker die zu dieser Höhe gehörenden Kopfschmerzen ein; sie werden von den meisten mit der üblichen Aspirin-Kur bekämpft. Das Wetter wird auch immer saumäßiger, sodass recht bald alle in den inzwischen aufgebauten Zelten verschwinden.

14. Tag: Freitag, 24. Juli

Lager 3

Es schläft sich nicht besonders die erste Nacht auf 6000 Metern. Der morgendliche Blick aus dem Zelt fällt zuerst auf 10 cm Neuschnee und danach auf wolkenlosen Himmel überall. Heute ist Ruhetag zum Kopfschmerzen-Kurieren; in Anbetracht der Höhe und der morgendlichen Kälte dauert es ein wenig, bis sich alle aus den Zelten gewickelt haben und der unvermeidliche Kocherlärm begonnen hat.

Ein paar Leute kommen absteigend am Lager vorbei; teilweise solche, die vom Lager 2 1/2 versucht haben, den Gipfel an einem Tag zu erreichen und uns mitteilen, dass ihnen dabei sozusagen die Luft ausgegangen ist, teilweise solche, die ein Lager 4 auf 6500 m aufgebaut hatten und wieder absteigen, um weiter unten Kraft für den endgültigen Angriff zu tanken.

Von den ankommenden Russen hat einer eine Fuchsschwanzssäge dabei und macht sich gleich daran, eine Windschutzmauer aus Schneequadern zu bauen. Nach einer halben Stunde nimmt das Bauwerk Formen an und stellt sich schließlich als (sehr brauchbare) Toilette heraus.

Lager 3 auf 6050 m.
Lager 3 auf 6050 m.

Ein Schmetterling hat sich ins Lager 3 verflogen.
Ein Schmetterling hat sich ins Lager 3 verflogen.

15. Tag: Samstag, 25. Juli

Lager 3 - Pik Lenin - Lager 3

Nachdem die verbliebenen Schweizer (vier an der Zahl) an uns vorbeigedüst sind, brechen wir zu siebt (Horst, Helmut, Hermann, Frank, Sepp, Hannes und ich) um fünf Uhr auf. Claudia muss leider wegen Kreislaufproblemen im Lager bleiben; sie wird sich während des Tages dem Funkgerät widmen. Auch unser Chef bekommt das irgendwann mit.

Pik Dzerzhinskogo am Morgen unseres Aufstiegs zum Pik Lenin.
Pik Dzerzhinskogo am Morgen unseres Aufstiegs zum Pik Lenin.

Nach zweieinhalb Stunden erreichen wir das Ende des ersten Aufschwungs. Das darauffolgende Plateau dauert nochmals eine Dreiviertelstunde. Hier liegt der übliche Platz von Lager 4, auf 6500 m. Während es beim Aufbruch nur kalt war (-20°C), ist es hier kalt und stürmisch. Es geht den zweiten Aufschwung herauf. An einigen Stellen ist man ganz froh über die Steigeisen, sofern man welche hat (und sie nicht ein paar Tage vorher ruiniert hat).

Auf dem Weg zum Gipfel auf 6600 m
Auf dem Weg zum Gipfel (auf ca. 6600 m)

Nach einer kleinen weiteren Steilstufe folgen wir sanften Geröll- und Schneehängen. Nach jeder kleinen Stufe wird der Blick frei auf die nächste. Kurz vor ein Uhr stehen wir am Beginn eines großen Plateaus (6850 m), wo einige unter Führung des Chefs das Gepäck deponieren. Der Weg führt durch endlose Schneemulden, mit kleinen Gegensteigungen. Am Ende dieser Mulden geht es wieder bergauf. Aber auch das ist noch nicht der Gipfel. Um halb drei sind wir etwa in der Mitte des dritten Aufschwungs auf 7030 m. Das Gehen wird immer mühsamer. Man folgt einfach wie in Trance der Spur - es ist wie ein Film, der vor einem abläuft. Die Bewegungen sind langsam, monoton und fast völlig automatisch. Es ist klar, dass wir den Gipfel erreichen; die Frage ist nur, wie lange es noch dauert. Bei den wenigen Blicken, die jetzt noch über die nästen paar Meter der Spur hinausgehen, sieht man aufsteigende Kumuluswolken. Aus der ganz tollen Fernsicht wird also wohl nichts. Aber das Wetter ist immer noch sehr schön.

Um vier Uhr nachmittags, nach elf Stunden, geht es nicht mehr weiter. Der Gipfel des Pik Lenin macht eher den Eindruck eines riesigen Fußballfeldes als eines 7134 m hohen stolzen Berges. Die Lenin-Büste ist (natürlich) verschwunden (oder unterm Schnee versteckt), auch auf den fast gleich hohen anderen Felsinseln ist nichts zu finden.

Der Gipfel, oder was davon übrig ist
Der Gipfel, oder was davon übrig ist

Die Aussicht ist sehr gut, wenn sich auch inzwischen schon Kumulus-Wolken gebildet haben. Zwar sieht man offensichtlich sehr weit, aber die meisten Berge kennt man ja doch nicht. Dass man hier auf einem Siebentausender steht, würde man aus der Aussicht nicht schließen; genausowenig aus der Temperatur, die im Schatten zwar knapp an -10°C heranreicht, in der Sonne aber recht angenehm ist. Die dünne Luft spürt man auch nicht direkt, bis auf das übliche Gejapse, wie man es (bei schlechter Akklimatisation) ja auch von Viertausendern in den Alpen her kennt. Abgesehen davon ist man so erledigt, wie es sich nach 11 Stunden in 6000-7000 m Höhe eben gehört.

Am Gipfel sind auch die Spanierinnen, die am Freitag (nach dem Toilettenbauer-Russen) gekommen waren und die alles in allem ein beängstigendes Tempo vorgelegt haben. Die vier Schweizer waren eine Stunde früher oben gewesen. Mit 4 von 10 ist deren Erfolgsquote ähnlich der unsrigen (6 von 13).

Einschließlich der obligatorischen Fotos (Aussicht sowie Gipfelbild von jedem mit der Kamera von jedem mit den entsprechenden Variationen) verbringen wir eine gute Stunde auf dem Gipfel. Um viertel nach fünf geht's wieder runter. Wie beim Aufstieg, finden wir nur Pulverschnee, manchmal mit Geröll durchsetzt, vor. Und trotz des leichten bzw. oben gar keines Rucksacks ist jeder Schritt in diesem Zeug beschwerlich.

Rückweg zu Lager 3
Der Rückweg zum Lager 3; in der Mitte der Pik Razdelnaja, und im Sattel unterhalb (knapp von einem näheren Rücken verdeckt) Lager 3.

Endlos langsam, scheint es, kommen wir nach unten. Jedesmal ernüchternd der Blick auf den gegenüberliegenden Pik Dzershinskogo, der immer noch niedriger ist als wir. Am untersten Aufschwung ziehen Wolken auf. Das letzte Stück ist schnell geschafft - immer der Nase nach - und im Lager 3 wartet schon der Tee. Claudia hatte schon Stunden am Kocher ausgeharrt, nachdem sie zum Zeitvertreib den "richtigen" (hinteren) Pik Razdelnaja bestiegen hatte. Bald zwängt man sich ins sowieso zu enge Zelt und schläft mehr oder weniger.

16. Tag: Sonntag, 26. Juli

Lager 3 - Lager 2 - Lager 1

Ein wunderbarer Sonntagmorgen auf 6000 m mit nur einem Schönheitsfehler: es ist saukalt (-15°C), sodass man nur mit Mühe die teils festgefrorenen Zelte abbauen kann. Erst um 10 Uhr steigen wir daher ab. Das heißt allerdings zuerst 60 mühsame Meter auf und dann ab. Der Hang am Pik Razdelnaja ist im Abstieg so öde wie im Aufstieg. Nach zwei Stunden sind wir am Lager 2; Pause und Abbrechen der Zelte. Weitere zwei Stunden später treffen auch Hannes, Frank und Sepp ein, die oben ausführliche Pause gemacht haben (während wir natürlich auf sie warteten - wer macht denn schon dort Pause, wo es nichts zu Essen und Trinken gibt, anstatt bis zu den Vorräten im Lager 2 zu gehen ?).

Während wir so dasitzen, kommt eine Sechsergruppe angeseilt den Gletscher hoch, legt im Flachen kurz vor dem Lager das Seil ab, und zehn Meter später hängt einer von ihnen in einer Spalte! Die Spalte war praktisch nicht zu erkennen und recht stattlich. Nach kurzer Gemeinschaftsaktion ist er wieder draußen, und für uns ist der Rückmarsch am Seil beschlossene Sache, wenn auch etwas lästig.

Mit den Zelten, Kochern und Kerosinflaschen gibt es eine stattliche Gepäckladung - natürlich nicht gar so viel für die Herren, die jetzt plötzlich keine Gemeinschaftsausrüstng mehr kennen. Das sind auch die, die nicht einsehen, warum man den Müll und das bisschen restliche Essen nicht einfach im Lager liegenlässt ("für die Nächsten"). Dass unser Chef sich nicht allzu intensiv um den Abtransport des Abfalls kümmert, macht die Sache auch nicht überzeugender. Mit dem ganzen Gedöns- man bekommt den Rucksack kaum alleine auf den Rücken - gehen wir nachmittags um drei weiter nach unten. Zwei Stunden später ist die Gletscherebene erreicht. Dort wartet auch schon Ernst auf uns mit Tee, ein hervorragender Service unseres Mannes in Lager 1. Eine Dreiviertelstunde durch die Ebene, und endlich erreichen wir Lager 1.

Und was uns da erwartet: ein ganzer Topf voller Kompott, den uns die russischen Trainer bringen. Nach den sechs Tagen dort oben eine Köstlichkeit. Glücklicherweise findet sich noch genug flüssiges Wasser, um den Flüssigkeitshaushalt mit Tee und Mineralgesöff wieder in Ordnung zu bringen. Genügend zu essen gibt es sowieso, die meisten haben noch Reste übrig.

Abends ist man dann - spätestens nach dem noch aus Moskau stammenden Bierdösle - bald müde genug. Im Gegensatz zu dem winzigen Salewa-Zelt in Lager 3 hat man im schönen VauDe-Zelt hier wunderbar viel Platz und kann bequem schlafen.

17. Tag: Montag, 27. Juli

Lager 1 - Basislager

Geschlafen wie ein Stein. Heute wird Lager 1 zusammengepackt. Bald sind die Zelte verpackt, die Sachen der vorzeitig ins Basislager oder noch weiter herausgeflogenen Kollegen sortiert und die Dinge, die den Russen übergeben werden (restliches Kochgeschirr und Essen) beiseite gelegt. Das Ganze gibt am Heli-Landeplatz einen mittelgroßen Haufen blauer Hauser-Seesäcke - immer noch aber vernachlässigbar gegenüber der Schweizer Materialschlacht.

Der Heli fliegt das Gepäck mitsamt uns pünktlich um zwölf zum Basislager. Unsere Ausgeschiedenen (Joachim, Dieter, Dieter K und sogar Ralf, der am Vortag aus dem Krankenhaus Osch zurückgekommen ist) empfangen uns am Landeplatz. Das macht dem Herrn, der gleich die Hand nach dem Fahrgeld aufhält, einige Rechenprobleme: Angeblich sind 8 mitgeflogen, es laufen doch aber 12 herum...

Unsere Zelte sind teilweise neu vergeben worden. In unserem hocken zwei DAV Summit-Clubler. Auf die Frage nach unseren dort zurückgelassenen Sachen bringt er es nicht mal fertig, sich von der Isomatte zu erheben (denn sowas wisse sowieso nur seine Frau), und sie weiß von gar nichts. Aber unser Wörterbuch findet Claudia noch in der Seitentasche des Innenzeltes. Sind die wirklich zu faul, einen Schritt weit zu denken? Nach genaue Durchsuchung des Gepäckdepots der Lagerverwaltung finden wir auch unsere vermissten Rucksäcke. Ein neues Zelt ist dann dank der Mithilfe unserer Dolmetscherin, die eigentlich immer auch da ist, wenn man sie braucht, bald gefunden.

Das Essen scheint heute besonders reichhaltig: Fisch, schöne große Obstschale, Suppe, Gulasch (allerdings mit Buchweizen). Kein Vergleich mit Höhen-Trockenfutter zum Anpanschen.

Eine kurze Programmdiskussion ergibt 11:1 für Kultur anstatt neuem groࠥn Berg.

18. Tag: Dienstag, 28. Juli

Basislager

Endlich kann man wieder gut frühstücken, ohne sich die Finger mit dem Kocher abzufrieren: Heute gibt's Milchreis. Am Morgen werden uns drei Programmmöglichkeiten vorgestellt, die die sportliche Leitung des Lagers für die verbleibenden 6 Tage vorschlagen kann:

  1. Besteigung des Pik Korshenevskaja (7105 m): Mit der guten Akklimatisation, die wir uns die letzte Wochen angeeignet haben, müsste das in insgesamt vier oder fünf Tagen möglich sein. Da wir bis jetzt schon ziemlich viel Glück mit dem Wetter hatten, ist allerdings unwahrscheinlich, dass es noch länger so gut bleibt.
  2. Trekking in der Gegend am Pik Kommunismus (2 Tage)
  3. 2-Tagesausflug in das Koman-Su-Tal.

Das alles klingt nicht so überzeugend, dass sich ein Hubschrauberflug lohnen würde. Mit dem Helikopter nach Samarkand würde gemäß unserer Freundin von der Heli-Firma 6 Stunden = 500 Dollar kosten. Das ist auch ein bisschen viel. Als vierte Möglichkeit gäbe es eventuell noch eine frühere Rückkehr nach Moskau und dafür mehr Zeit für Besichtigungen dort. Fünftens könnte man ($ 333 für alle) einen Tagesausflug in die nächste größere Ortschaft Daraut Kurgan machen.

Ein Ausflug vom Basislager aus mit dem Bus geht schon aus dem einfachen Grund nicht, dass keiner vorhanden ist. Zweitens seien die Straßen zu schlecht.

Am Nachmittag machen wir kleine Wanderungen am linken Bach entlang (teils mit berittener Unterstützung) und entlang der Schlucht des rechten Baches, wo sich eine interessante Landschaft findet. Am Abend beginnt es zu regnen - das endgültige Aus für alle Korshenevskaja-Besteiger in spe.

19. Tag: Mittwoch, 29. Juli

Basislager

Das uns zugeteilte Zelt ist natürlich nicht dicht, was wir morgens um sechs bemerken. Eigentlich ist diese Aussage zu pauschal: Der Zeltboden ist nämlich ganz gut dicht, es fließt keinerlei Wasser ab.

Ausgleichend gibt es heute Grießbrei zum Frühstück. Die Dolmetscherin konfrontiert uns mit der Mitteilung, dass Moskau momentan ausgebucht sei und daher ein früherer Rückflug kaum möglich. Nach drei über den ganzen Tag verteilten Versuchen funktioniert der Heli immer noch nicht; daher wird der geplante Ausflug ins Moskwin-Lager (Pik Kommunismus/Pik Korshenevskaja) dann doch gestrichen.

Den Abend verbringen wir mit Malefiz- bzw. Skatspielen, bis uns die Finger zu kalt zum Kartenhalten werden. Immerhin war es eine gute Idee, die Skatkarten, Würfel und Fotokopie vom Malefiz-Brett mitzunehmen.

20. Tag: Donnerstag, 30. Juli

Basislager - Osch

Schon wieder Regen, und schon wieder Grießbrei. Im Lauf des Vormittags steigert sich das Wetter zu Landregen, und auch der wird kurzzeitig sehr weiß. Das heißt Skat-Vormittag, das Zelt ist nicht mehr bewohnbar. Um zwölf kommt unser Chef mit einer neu ausgehandelten Variante: Heli-Flug nach Osch für $ 500 insgesamt (27 Teilnehmer, inclusive DAV Summit Club, Sonderpreis von Horsts spezieller Freundin) und dann selbst organisierte Reise voraussichtlich mit Bus nach Samarkand und zurück, um die Tage bis zum Abflug in Osch zu überbrücken. Eine Vorverlegung des Flugs Osch-Moskau ist unmöglich, weil diese Strecke immer voll ist, denn es ist anscheinend die billigste Route aus Mittelasien nach Moskau.

Nach dem Mittagessen funktioniert das alles sogar: Beladen mit 30 Leuten und dem Expeditionsgepäck zweier Pik Lenin-Expeditionen fliegt der Heli in knapp einer Stunde nach Osch. Des schlechten Wetters im Gebirge und der Überladung wegen macht er einen Umweg um die höchsten Gebiete des Alai herum.

Als wir im Flughafen in Osch warten, zaubert Ernst von irgendwoher (wohl aus seinem Rucksack) zwei Dosen Weizenbier hervor. Vorläufig ist kein Bus zu chartern, weil der Sprit alle ist. Nächste Möglichkeit anscheinend mit Linienbus morgen früh; bis dahin Übernachtung im Hotel Osch. Dort gibt es auch Abendessen, nämlich genau dasselbe, was wir in Atschik Tasch schon seit zwei Wochen im Basislager bekommen haben. Leider sind es hier eher Spatzenportionen. Für unsere Verhältnisse normale Getränke oder gar Bier sind nicht zu bekommen; abends sind die Straßen dunkel, und was die Einheimischen auf der Straße treiben, handeln und tun, bekommt man sowieso nicht mit, wenn man die Sprache nicht versteht.

21. Tag: Freitag, 31. Juli

Osch - Samarkand

Nach einer gut durchschlafenen Nacht warten wir morgens um acht vor dem Hotel auf unsere Freundin mit den Goldzähnen, die seit gestern für uns zuständig ist. Dann fahren wir mit dem Kleinbus (20 Plätze) zum Frühstücken (kirgisisches Pendant zur Gulaschsuppe); der Preis für die Fahrt nach Samarkand und zurück wird ausgehandelt auf 60 Mark pro Person, und wir fahren westwärts. Der Bus - der normalerweise von Osch nach Atschik Tasch fährt - ist natürlich von Komfort und besonders Federung her nicht für lange Fahrten auf halbwegs normalen Straßen gedacht. Auch der Fahrer ist eine Fahrt außerhalb der Wildnis nicht allzusehr gewöhnt. Als Kontaktperson und (mehr oder weniger) Dolmetscher fährt Trainer Volodja mit.

Es geht durch Ebenen mit Baumwoll- und Tabakfeldern unterbrochen von kleinen inselartigen Gebirgszügen. Mittagessen in Fergana (100 km), Einkaufen im Bazar (1/2 Stunde Zeit). Wer erst nach einer ganzen Stunde kommt, sind natürlich unser Chef sowie Joe mit der Begründung, es sei halt nicht schneller gegangen. Mal sehen, wie wir die restlichen 500 km nach Samarkand kommen. Mittags gibt es (schon in Uzbekistan) einen Stop am Schaschlik-Stand. Die Gegend wird flach und eintönig, auch die Beschaffung von Benzin scheint in dieser Gegend Glückssache zu sein. Außerdem wird klar, dass die Umbenennung ganzer Städte in der ehemaligen UdSSR kein großes Problem war: Viele Straßenschilder wären dabei nicht auszutauschen. Aus diesem Grund erfolgt auch meist spätestens alle Stunde ein Orientierungshalt, bei dem der nächstbeste Einheimische nach dem Weiterweg gefragt wird. Das wichtigste und unentbehrliche Hilfsmittel zur Orientierung ist allerdings die deutsche UdSSR-Karte im Maßstab 1:3.5 Millionen, die ich im Juni in Stuttgart (im Kaufhaus!) gekauft hatte.

Beim Verlassen des Fergana-Beckens wird die Gegend deutlich trockener; in den bewässerten Gebieten ist aber auch hier alles grün.

Grenzen: Tadschikistan und wieder Uzbekistan; die soundsovielte Polizeisperre (sie suchen hauptsächlich Drogen), abends noch ein Halt an einem Bazar zur Auffrischung der Obstvorräte. Die Landschaft wird wieder hügeliger. Um 23 Uhr, nach 13 1/2 Stunden, erreichen wir Samarkand. Der Weg wird immer seltsamer, und plötzlich stehen wir in einer Hinterhof-Sackgasse. Das dort befindliche Haus stellt den hiesigen Spross der Bergsteigerorganisation unter dem Kürzel АРТУЧ dar und bietet Lager zum Übernachten. Auf den ersten Blick sieht es allerdings eher wie ein etwas heruntergekommenes Krankenheim aus.

22. Tag: Samstag, 1. August

Samarkand

So heruntergekommen, wie es am Abend ausgesehen hatte, ist es dann doch nicht. Am Waschtrog gibt es sogar einen Spiegel. Frühstück gibt es wieder in einem Zwischending zwischen Restaurant und Imbissbude. Die sozusagen Nudel-Gulasch-Gemüssesuppe heißt nach Volodjas Auskunft Lakman und kostet 17 Rubel.

Das Stadtzentrum von Samarkand ist bald gefunden, und nach kurzer Zeit kommt Volodja mit einer deutschsprechenden Reiseführerin wieder. Es folgen einige Stunden Besichtigungen, angefangen bei den drei Koranschulen am Registanplatz, die wohl die Hauptsehenswürdigkeit sind, über Moscheen und die frühere Sternwarte mit Ulug-Bek-Museum zu den Mausoleen - bekanntermaßen ist Geschichte meist schon länger her, ihre Urheber sind daher schon einige Jahrhunderte unter der Erde. Von der Zeit vor dem 15. Jahrhundert scheint in Samarkand praktisch nichts mehr zu existieren, obwohl die Stadt vor kurzen ihren 2500. Geburtstag gefeiert hat.

Kuppel einer Moschee in Samarkand
Kuppel einer Moschee in Samarkand. Die Original-Rezeptur für das einzigartige Türkis dieser Bauten ist leider verlorengegangen.

der Registanplatz in Samarkand
Der Registanplatz in Samarkand war (und wird mittlerweile wieder) ein wichtiges religiöses Zentrum des Landes. Die drei den Platz umfassenden Medressen (Koranschulen) werden eifrig renoviert.

Mittags suchen wir uns ein Hotel, die Auswahl ist natürlich etwas eingeschränkt wie in allen ehemals sowjetischen Städten. Das Hotel Tourist ist ein Betonklotz wie alle Hotels, kostet 700 Rubel inclusive Essen und zeichnet sich dadurch aus, dass es hier überhaupt kein Toilettenpapier gibt.

Abends sind wir nochmal am Registanplatz und sehen uns die Beleuchtung der Koranschulen an. Die Rückfahrt zum Hotel gerät zum Chaos: Erst im vierten Anlauf gelingt es dem Fahrer, am Kreisverkehr die richtige Abzweigung zu finden, die im Endeffekt auch zum Hotel führt. Zwischendurch waren wir einmal ganz und einmal fast am Registanplatz und haben drei verschiedene Leute gefragt. Gerechterweise muss man sagen, dass sowjetische Städte aufgrund der phantasievollen Architektur mit Betonklötzen verschiedener Größe überall ziemlich gleich aussehen, besonders bei Nacht.

Zurück im Hotel um halb elf. Natürlich ist die Bar schon längst geschlossen, was Trinkbares sowieso nicht aufzutreiben. Auf die Frage danach sagt die Etagendame, in der 9. Etage gebe es eine Bar, woraufhin Helmut in einen Lachkrampf verfällt: Das haben sie nämlich schon mal ausprobiert. Das Ergebnis war, dass die Dame im 9. gesagt hat, im 6., und die im 6. meint, im Erdgeschoss und dort gibt es erwiesenermaßen nichts.

23. Tag: Sonntag, 2. August

Samarkand

Überraschung zum Frühstück Es gibt Spiegelei. Ansonsten ist das Essen so wie jedes Essen in den Restaurants.

Auf der Fahrt zum Bazar passiert das, was wir eigentlich schon länger erwartet hatten: Blechschaden. Unser Bus streift zwei(!) andere Busse beim Spurwechseln. Auf der linken Seite einen Gelenkbus - der eben am Gelenk noch nicht zu Ende war - und danach den auf der rechten Seite. Das Ergebnis ist, dass unsere Stoßstange verbogen, der linke Bus eine Delle in der Seite hat; am anderen Bus ist kaum was zu sehen. Große Diskussion, irgendwann kommt ein Polizist, und alles endet damit, dass unser Fahrer anscheinend eine ganze Menge Geld an den anderen Busfahrer löhnt.

Der Bazar ist um einiges größer als der in Osch, aber Samarkand ist ja auch deutlich größer. Sobald sie bemerkt haben, dass wir aus dem Westen sind, sind alle schrecklich auf Dollars aus (obwohl es nach der Freigabe des Rubel keinerlei Problem ist, welche zu bekommen: Touristen lassen sich leichter übers Ohr hauen als die Bank). Das Warenangebot ist wie üblich, nur etwas ausgedehnter: Obst, Gemüse Gewürze, Fleisch, Brot, "Süßigkeiten" und viele Textilien, besonders die bunten sackförmigen Fummel, in denen die hiesigen Frauen herumlaufen.

Nach dem Mittagessen - der Fahrer hat den Schaden an der Stoßstange ganz gut wieder zurechtgebogen - fahren wir zum Baden etwas nach außerhalb. Der Weg zurück wird diesmal ohne Hilfestellung problemlos gefunden.

Die Qualität des Abendessens lässt darauf schließen, dass auch der Küche unsere baldige Abreise bekannt ist, oder der Schaschlikstand vor dem Hotel hat gerade soviele (zahlende) Kunden, dass für das Gulasch für die Hotelgäste nichts mehr Vernünftiges übrigbleibt. Der Sekt, den wir eigentlich dazu trinken wollen, macht nicht mal Plop: Müde fällt der Korken von der Flasche, entsprechend ist der Sekt, entsprechend zahlen wir ihn nicht. Es gibt dann halt den Sekt, den wir im Bazar gekauft haben, vor dem Hotel, mit Schaschlik.

24. Tag: Montag, 3. August

Samarkand - Osch - Moskau

Zu unchristlich frührer Zeit - um vier Uhr - versammeln wir uns vor dem Hotel; alle sind da, bis auf den Busfahrer. Nach dem Wecken desselben fahren wir um halb fünf los in Richtung Osch. Heute gibt es relativ wenige richtige Verhauer. Dafür umso mehr lästige Polizeikontrollen. Die bei Leninabad besitzt zu allem Überfluss eine recht moderne Radarpistole, die sie wohl auch gerade in Betrieb hatte. Wir sind natürlich so gefahren wie üblich. Die Konsequenz: Den Führerschein muss der Fahrer in Osch anscheinend vorläufig abgeben. Weiterfahren kann er trotzdem. Es ist ihm aber auch nie eine Gemütsregung anzusehen. Die häufigen restlichen Polizeikontrollen (kleinster Abstand etwa 2 Kilometer) sind im Gegensatz zu diesem unangenehmen Beispiel nur zeitraubend.

Beim Ausparken nach dem Tanken nimmt er einen Zaun mit und verschönert dadurch nun auch die rechte Seite des Busses. An der tadschikisch-uzbekischen Grenze nehmen wir einen Zöllner ein Stück mit, der sich dadurch auszeichnet, dass er auf deutsch bis neun zählen kann, Sozialismus gut, aber die Versorgungslage schlecht findet.

Nach elf Stunden Holperfahrt erreichen wir nachmittags um halb fünf Osch. Die eine Stunde, die in dieser Rechnung fehlt, ist diejenige, die wir auf der Hinfahrt durch die Zeitzonen gewonnen hatten. Am Flughafen wird gleich von (fast) allen der Schaschlik-Stand belagert.

Das Abwiegen der Gepäckstücke ist ein organisatorisches Drama. Beim Betreten des Flugzeugs empfängt uns dasselbe Gewächshausklima wie beim Hinflug. Mit dem üblichen Viertelstündchen Verspätung hebt der Flieger ab. Um neun Uhr Landung - aber in Orenburg. In Osch gab es nicht genügend Kerosin für die ganze Strecke. Was für ein "Flughafen"! Das Hauptmerkmal ist, dass es inländische Cola (immerhin wenigstens das) zum unverschämten Preis von 55 Rubel gibt. Die Zwischenlandung war eingeplant, nicht aber die einstündige Verspätung beim Abflug. Die kommt dadurch zustande, dass anscheinend der Pilot wie die Fluggäste die Wartezeit an der Bar totgeschlagen hat, die Chefstewardess ihn nicht mehr ans Steuer gelassen hat und auf Ersatz gewartet werden musste.

Also erreichen wir Moskau erst nachts um halb zwei. Direkt am Flugzeug holen uns unsere Betreuer ab, schnell ist das Gepäck verladen; es folgt eine Fahrt im großen, gut gefederten Bus auf den fast schlaglochfreien Straßen, an denen es sogar Hinweisschilder gibt. Um halb vier fallen wir im Hotel ins Bett.

25. Tag: Dienstag, 4. August

Moskau

Das Frühstück zeigt, dass wir dem Westen schon wieder nähergerückt sind: Es gibt Kaffee. Heute geht's nach Zagorsk, um das dortige Kloster zu besuchen. Die Straße von Moskau nach Zagorsk (von der 1200 km langen Fortsetzung nach Arhangelsk ist das nicht zu erwarten) ist vierspurig und erinnert von Beschilderung und Qualität her stark an eine deutsche Autobahn. Kein Wunder, sie wurde letztes Jahr von einer deutschen Firma neu gebaut.

Nach der interessanten Besichtigung des Klosters, des früheren Hauptsitzes der russisch-orthodoxen Kirche, geht es die 70 Kilometer zurück nach Moskau. Der Souvenirstand in Zagorsk hat übrigens Bier (endlich ein Bier!) zu 70 Rubel und Pepsi Cola zu 25 Rubel. Im Bus erfahren wir, dass sich in den drei Wochen unserer Abwesenheit das Porto für Postkarten von 3.50 Rubel auf 15 Rubel erhöht hat.

Wieder in Moskau, bummeln wir durch die Fußgängererzone "Alter Arbat", wo erstens alle Touristen und zweitens alle Moskauer, die schnell Geld verdienen wollen, sind. Letztere verkaufen Souvenirs und sonstigen Plunder an erstere, und zwar meist zu Preisen, dass der Verkauf von zwei Moskau-Bildbänden das Durchschnitts-Monatseinkommen des arbeitenden Menschen deutlich übersteigt. Es folgt eine kurze U-Bahn-Besichtigung über 3 Stationen. Die Metro ist nicht nur vom Stil der Bahnhöfe her interessant, sondern auch technisch nicht ganz unzivilisiert: Die minimale Zugfolge beträgt 50 Sekunden, was nirgends sonst in der Welt erreicht wird. Die Rolltreppe zu der Metro-Station direkt unter der Moskva dürfte auch die längste der Welt sein: Die Station liegt so tief, dass man anfangs das Ende kaum erkennen kann.

Metro in Moskau
In einer Metrostation in Moskau.

Schon ist die Zeit für das (übrigens sehr gute) Abschiedsessen im Hotel Rossija gekommen. Nach den feierlichen Reden und dem Dank an die Firma Mountaineering Union für die Organisation der Unternehmung folgt die Urkunden-, Abzeichen- und Geschenkverteilung.

Basiliuskathedrale bei Sonnenuntergang
Die Basiliuskathedrale bei Sonnenuntergang.
Bescheiden wie ich bin, muss ich feststellen, dass das eines meiner schönsten Fotos überhaupt ist..;-)

Zurück im Hotel rechnen wir noch die von Horst ausgelegten Hubschrauberflüge etc. ab und erfreuen uns der Tatsache, dass es hier (wenn auch für Dollars) endlich wieder echtes Bier gibt.

26. Tag: Mittwoch, 5. August

Moskau - Frankfurt

Zu Hermanns Freude beginnt unser letzter Tag in Russland gleich mit Milchreis.

Am Flughafen sind es diesmal nur 50 kg Übergepäck, die aber auch sofort zu bezahlen sind. Das Flugzeug ist .- wer hätte das gedacht - ein Airbus. Entsprechend viel Platz hat man da, verglichen mit einer TU 134 wie denen von Osch nach Moskau. Die Fluggesellschaft heißt auch nicht mehr Aeroflot, sondern RAL (Russian Airlines), und sie bemüht sich sichtlich um ein neues Image bei den Passagieren (zumindest auf den internationalen Linien, wo sie eben Konkurrenz hat). Nach dem dreistündgen Flug mit westlichem Komfort betreten wir um halb eins in Frankfurt nach dreieinhalb Wochen wieder heimatlichen Boden.

Wir bekommen sogar noch den Zug um 13.50 im Hauptbahnhof und sind um halb sieben in Salem. Neun Stunden von Moskau bis nach Hause.


Diese Reise haben wir als Teilnehmer einer 13-köpfigen Expedition von external linkHauser Exkursionen, München, unternommen.
Es war unsere erste Bergreise außerhalb der Alpen. Trotz einiger kleiner, oft vielleicht auch subjektiver Mängel war es außerordentlich interessant und auch im Nachhinein sehr lohnend. Schon beim Rückflug war uns eigentlich klar, wo unsere nächste Urlaubsreise uns hinführen würde - und das haben wir in derartiger Klarheit nie wieder erlebt (Stand 2004)
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Letzte Änderung 31. Januar 2000 durch Hartmut Bielefeldt