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Höhenanpassung - Akklimatisation und Adaption

Bitte beachten Sie, dass ich kein Arzt bin. Die folgenden Hinweise sind von mir als interessiertem Laien, der seit einigen Jahren in größeren Höhen unterwegs ist, verfasst. Sie beruhen auf den Dingen, die ich über Höhenmedizin z.B. in Alpenclub-Zeitschriften gelesen habe und auf Alpenvereins-Fortbildungen erfahren habe, ergänzt durch persönliche Erfahrungen. Sie ersetzen selbstverständlich keinen Arztbesuch.

Höhe und Luftdruck

Ein kurzer Exkurs in die Physik (wer sich dagegen sträubt, liest bitte hier weiter)
Die barometrische Höhenformel
p(h)=p0 exp(-Mgh/RT)
besagt, dass der Luftdruck in einer Höhe h über Meer mit dem Luftdruck auf Meereshöhe p0 durch eine exponentielle Abhängigkeit verknüpft ist. In dieser Formel sind M=molare Masse der Luft (ca. 29 g/mol), g=Erdbeschleunigung (9.81 m/s2), h=Höhe über Meer in Metern; R=molare Gaskonstante (8.3 J/molK), T=Temperatur in Kelvin, und exp die Exponentialfunktion (mit der Basis e=2.71828..).
Für den halbwegs realistischen Wert von T= 283 K (=10 °C) erhält man also
0 m1013 mbarDruckverlauf
1000 m 898 mbar
2000 m 795 mbar
3000 m 704 mbar
4000 m 624 mbar
5000 m 553 mbar
6000 m 490 mbar
7000 m 434 mbar
8000 m 384 mbar
9000 m 341 mbar

Der obige Druckverlauf ergibt sich aus der Annahme einer konstanten Temperatur von 10°C über die ganze Atmosphäre. Das ist natürlich nicht richtig. Die Temperatur nimmt mit der Höhe bekanntermaßen ab. Da die barometrische Höhenformel in der angegebenen Form nur für konstante Temperatur gilt, müsste man die grundlegende Differentialgleichung neu mit einem Modell für die höhenbedingte Temperaturabnahme lösen, und dann ergäbe sich je nach der Temperaturstaffelung in der Atmosphäre ein bestimmter Druckverlauf. Für genauer Interessierte habe ich das auf einer weiteren Seite getan. Man kann aber natürlich schon der ursprünglichen Formel ansehen, dass in größeren geographischen Breiten (d.h. bei allgemein niedrigeren Temperaturen) der Luftdruck mit der Höhe schneller abnimmt. Das ist der Grund für "Korrekturen": Pik Pobeda und Khan Tengri im Tien Shan, so wie die Alpen auch, erscheinen verglichen mit dem Himalaya oder Gebirgen in den Tropen um ca. 400 m höer, der Mt.Mc Kinley (Denali) um ca. 650 m, und der Südpol um ca. 1000 m.

Die einfache Folgerung aus der Luftdruckabnahme ist: Je größer die Höhe, desto weniger Luft steht dem Körper zur Verfügung - und da die Zusammensetzung der Luft sich nicht ändert (es sind immer 21% Sauerstoff), steht also entsprechend weniger Sauerstoff zur Verfügung - auf 5000-6000 m nur noch etwa die Hälfte, auf Höhe des Mount Everest nur noch ein Drittel.

Folgen des niedrigen Sauerstoffangebots in der Höhe
Wie reagiert nun der Körper, wenn man mit jedem auf Meereshöhe üblichen Atemzug nur die Hälfte (oder sogar noch weniger) des gewohnten Sauerstoffs aufnehmen kann? Wie bekommen die Körperzellen trotzem genügend Sauerstoff, damit keine Unterversorgung eintritt?
Der Prozess der Sauerstoffversorgung gliedert sich in zwei Teile: Erstens die Atmung (bringt Sauerstoff in die Lungenbläschen), und zweitens der Blutkreislauf (bringt das mit Sauerstoff angereicherte Blut aus den Lungen in die Zellen). Für jeden dieser beiden Prozesse gibt es prinzipiell zwei Strategien, auf geringeres Sauerstoff-Angebot zu reagieren:
a) Transportprozesse verschnellern, um bei gleicher Effizienz den Umsatz zu erhöhen
b) Prozesse effektiver machen, um bei gleicher Geschwindigkeit den Umsatz zu erhöhen.
Die Atmung kann leider nicht effektiver gemacht werden, daher bleibt hier nur eine Erhöhung der Atemfrequenz als Ausweg. Beim Sauerstofftransport durch das Blut gibt es dagegen beide Optionen, eine Erhöhung der Pulsfrequenz oder eine vermehrte Bildung von sauerstofftransportierenden roten Blutkörperchen.
Während also der Atemrhythmus bei Sauerstoffmangel grundsätzlich schneller wird, gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten der Anpassung bezüglich des Blutkreislaufs.
  • Die Erhöhung der Pulsfrequenz ist praktisch sofort möglich. Sie wird Adaption genannt; der schnellere Puls kostet aber ständig mehr Energie.
  • Mehr Blutkörperchen zu bilden, um damit den Transport effektiver zu machen, dauert natürlich eine gewisse Zeit. Die vermehrte Bildung der Blutkörperchen kostet Energie, die ja in der Krisensituation der Sauerstoff-Unterversorgung gerade ziemlich knapp ist. Auf lange Dauer ist das aber die effizientere Antwort - wenn die Blutkörperchen mal da sind, kann man die Herzfrequenz wieder absenken und verbraucht so wiederum weniger Energie. Dieser langfristige Prozess ist die Akklimatisation.

Adaption

Wenn man unvermittelt in große Höhe kommt (z.B. mit Seilbahn über 3000 bis 3500 m), entsteht wie oben erklärt ein Sauerstoffdefizit, das durch schnellere Atmung ausgeglichen wird. Gleichzeitig mit der Atemfrequenz steigt auch der Puls. Das ist auf Dauer natürlich nicht wünschenswert, denn die Verschnellerung all dieser Prozesse erhöhen den Energiebedarf des Körpers. Dieser, Adaption genannte, Prozess ist entsprechend als akute Krisenreaktion zu verstehen; trifft der Körper diese Situation über eine längere Zeit (ein paar Stunden oder mehr) an, dann läuft quasi ein Notfallprogramm an, das besagt, dass nun verstärkt rote Blutkörperchen gebildet werden müssen, um die energieaufwendige Situation zu beseitigen und zum Zustand der möglichst vollständigen Akklimatisation für die gegebene Höhe zu kommen.
Durch die schnellere Atmung geht auch mehr Flüssigkeit verloren (hierzu siehe auch unten).

Akklimatisation

Unter Akklimatisation versteht man die vollständige Anpassung an die Höhe, d.h. der Blutkreislauf funktioniert wie zuhause - man bewegt sich wie zuhause, der Pulswert ist auf dem heimatlichen Normalwert. Akklimatisation ist ein langsamer Prozess, da er durch Veränderung der Blutzusammensetzung gesteuert wird. Im Wesentlichen ist das eine Erhöhung der Anzahl roter Blutkörperchen, damit mehr Sauerstoff transportiert werden kann. Dadurch wird das Blut übrigens auch verdickt. Da es für die Atmung keinen derartigen "Trick" zur Effizienzsteigerung gibt, bleibt die Atemfrequenz auch bei guter Akklimatisation höher als zuhause.
Das "Aufbauprogramm" wird durch erhöhte Ausschüttung von Epo aktiviert, die durch einen Höhenreiz ausgelöst wird, d.h. eine neu erreichte Höhe, für die der Körper bislang nicht angepasst war. Diese Ausschüttung kommt innerhalb einiger Stunden zu einem Maximum und nimmt dann wieder ab. Die Bildung der roten Blutkörperchen, die dadurch anläuft, ist aber ein sehr langsamer Prozess. Er kommt erst nach etwa zwei bis drei Wochen zu einem Maximum und nimmt danach wieder ab. Für eine möglichst gute Akklimatisation gibt es die folgenden (empirischen) Regeln:
  • Während eines kontinuierlichen Aufstiegs oberhalb ca. 3000 m sollte man die gewonnene Höhe pro Tag nicht um mehr als 300-600 m erhöhen. Wie hoch man dazwischen während des Tages kommt, ist nicht so wichtig; entscheidend ist, um wieviel die Schlafhöhe erhöht wird.
  • Muss man eine Etappe mit größerem Höhenunterschied machen, sollte man danach soviele Ruhetage einplanen, dass man wieder auf den Schnitt von 300-600 HM/Tag kommt
  • Go high, sleep down - es scheint die Anpassungsgeschwindigkeit zu verbessern, wenn man während des Tages eine größere Höhe erreicht als die, in der man dann übernachtet. Einleuchtend als Erklärung ist, dass man durch Erreichen der großen Höhe (und Verweilen dort für mindestens eine Stunde) dem Körper ein Signal gibt, dass bessere Akklimatisation notwendig wäre. In der erreichten Maximalhöhe ist das aber energetisch nicht gut möglich. Besser kann die Anpassung in niedrigerer Höhe erfolgen, wo wieder "komfortablere" Umgebungsbedingungen hergestellt sind.
  • Mit ähnlicher Argumentation wie für "Go high, sleep down" kann man verstehen, dass es im Vorfeld einer Expedition nutzen kann, wenn man kurz vor der Abreise möglichst hohe Touren in den Alpen macht und auch dort hoch übernachtet, um den Grundstein für die Akklimatisation zu legen. Das ist allerdings wenig effektiv, wenn man auf der Fernreise nicht bald in die Höhe kommt sondern noch lange Zeit weit unten verbringt.
    Inwieweit es eine Art von "Memory-Effekt" bei der Akklimatisation gibt, ist nicht nachgewiesen. Nach persönlichen Berichten vieler Höhenbergsteiger fällt die Akklimatisation nach vorangegangenen Hochtouren (>4000m) leichter als ohne, auch wenn das nur Wochenendtouren in den Alpen waren und die Pausen dazwischen eigentlich zu lange waren, als dass eine Akklimatisation weiterbestanden hätte. (vgl. unten, Abbau der Akklimatisation)
  • Je nach persönlicher Veranlagung kann die Obergrenze für echte Akklimatisation bereits bei unter 3000 m liegen. Allem Anschein nach gibt es niemanden, der sich oberhalb 5300 m perfekt akklimatisieren kann. Das wird auch dadurch belegt, dass es nirgends auf der Welt permanente Siedlungen oberhalb dieser Grenze gibt. Als kurzer Merksatz also: Oberhalb 5300 m gibt es niemals Akklimatisation, bestenfalls gute Adaption. Und Adaption kostet Energie, also wird jeder, der lange Zeit über 5300 m verbringt, auf Dauer abbauen.
  • Bei ernsthaften Beschwerden ist der Abstieg immer die beste Therapie. Höhenkrankheit wird mit einem Abstieg von 500-1000 m praktisch sofort besser. Nach ein bis drei Tagen Schonung ist man daraufhin wieder voll fit. Es bringt überhaupt nichts (sondern ist ausgesprochen gefährlich, siehe HAPE/HACE), Symptome zu ignorieren und in großer Höhe zu bleiben.
  • Die erworbene Akklimatisation baut sich nach der Rückkehr in niedrige Höhen ungefähr so schnell ab, wie sie aufgebaut wurde. Nach der Rückkehr von einer Expedition kann man also noch ein, zwei Wochen z.B. an Wochenendtouren in den Alpen profitieren.
  • Unterhalb von 2500 m tritt kein Höhenreiz auf. Zur "Vorakklimatisation" vor einer Expedition ist also eine Schlafhöhe von mindestens 2500 m nötig.

Die Rolle der Flüssigkeitszufuhr

Der schnellere Atemrhythmus in der Höhe erhöht den Flüssigkeitsverlust, da man meist durch den Mund atmet. Die Nase ist meist zu oder nicht ausreichend, um den (ja erhöhten) Durchsatz zu bewältigen. Neben diesem direkten Verlust von Flüssigkeit in der Atemluft gibt es auch einen indirekten Effekt: Durch die schnellere Atmung wird auch viel CO2 abgeatmet, dadurch wird das Blut basisch. Um den pH-Wert zu erhalten, gibt die Niere Basen ab. Durch den erhöhten Harndrang geht zusätzlich Flüssigkeit verloren.
Entsprechend muss also erheblich mehr Flüssigkeit zugeführt werden als weiter unten. In großen Höhen gibt es aber normalerweise kein flüssiges Wasser, sondern es muss alles aus Schnee geschmolzen werden - entsprechend ist es ein langwieriges Geschäft, zu Wasser zu kommen, und man trinkt bei weitem nicht so viel, wie man eigentlich sollte (5 Liter und mehr pro Tag). Dazu kommt, dass das eher schwache Durstgefühl den Flüssigkeitsmangel nicht erkennen lässt. Grundregel also: Trinken, trinken, trinken.
Die Gefahr von Erfrierungen an den hohen Bergen ist viel weniger durch absolut tiefe Temperaturen begründet, sondern durch die mangelnde Durchblutung der Kapillargefäße infolge von Blutverdickung, einerseits durch gute Akklimatisation (viele rote Blutkörperchen machen das Blut viskoser) und den latenten Flüssigkeitsmangel. Auch bei moderaten Temperaturen um -15°C bis -20°C ist die Gefahr von Erfrierungen von Fingern oder Zehen unter diesen Bedingungen um ein Vielfaches erhöht! Auch am Cho Oyu habe ich nur eine Minimaltemperatur von -21°C erlebt, trotzdem hatten mehrere Kameraden Probleme mit Erfrierungen.
Reichliche Flüssigkeitszufuhr vermindert die bei der Übernachtung auf einer neuen Höhe auftretenden Kopfschmerzen meist merklich.
Selbst bei vollständiger Akklimatisation muss auf reichliche Flüssigkeitszufuhr geachtet werden, weil das Blut schon durch die vermehrten Blutkörperchen dicker ist als zuhause. Dickeres Blut kann die feinen Kapillaren nicht gut erreichen, bei Flüssigkeitsmangel drohen daher Erfrierungen bevorzugt an Händen und Füßen.

Wie findet man heraus, ob man genug getrunken hat?

In Höhen über 4500 m ist es relativ normal, wenn man nachts mindestens einmal raus muss. Es ist verdächtig, wenn das nicht der Fall ist. An der Farbe des Urins kann man erkennen, ob der Flüssigkeitshaushalt in Ordnung ist: Je klarer der Urin ist, desto besser. Starke Gelb- oder sogar Orange-Färbung deutet darauf hin, dass der Körper nicht genügend Flüssigkeit zu Verfügung hat und daher zu sparen versucht.

Gefahren bei ungenügender Akklimatisation bzw. mangelnder Adaptionsfähigkeit

Mit zunehmender Schwere werden drei Krankheitsbilder unterschieden (sie sind glücklicherweise auch mit zunehmender Schwere um so seltener):

Akute Höhenkrankheit (engl.: acute mountain sickness, AMS)

Durch Fehlanpassung an die Höhe treten mehr oder weniger schwer eines oder mehrere der folgenden Symptome auf:
  • Kopfschmerzen (Leitsymptom)
  • Erhöhung der Pulsfrequenz
  • Kurzatmigkeit
  • Appetitlosigkeit
  • Schlaflosigkeit
  • Übelkeit, Erbrechen
  • Schwindel
  • Konzentrations- und Koordinationsstörungen
Wenn mehrere dieser Symptome auftreten, spricht man von akuter Höhenkrankheit (AMS, acute mountain sickness). Kopfschmerzen alleine sind als Indikation nicht ausreichend, insbesondere der Flüssigkeitsmangel kann auch alleine zu Kopfschmerzen führen (Kontrolle: Urinfarbe orange -> zuwenig Flüssigkeit).
Die AMS-Symptome sind individuell recht unterschiedlich. Allgemein gilt für die oben genannten Symptome: Wenn nicht bewiesen ist, dass es etwas anderes ist, muss man annehmen dass es AMS ist. Die Symptome von AMS treten hauptsächlich nachts auf, weil dann der Atemrhythmus auf das Normalmaß abfällt (die Adaption ist ein bewusst gesteuerter Vorgang, und diese Steuerung fällt dann aus).
Grundsätzlich versteht man den AMS-Kopfschmerz bereits als milde Form von HACE, allerdings nur eine harmlose Vorstufe.
Die periodische Atmung
Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass die sogenannte Cheyne-Stokes-Atmung, eine periodische Abfolge von Atemaussetzern und vermehrter, geradezu panisch wirkender schneller Atmung, kein Symptom von AMS ist. Auch wenn es meist für den Zeltkameraden sehr beunruhigend klingt, ist diese Irregularität normal in größeren Höhen. Sie ist daher kein AMS-Symptom.
Behandlung von AMS
Es gibt zwei Möglichkeiten, AMS wieder loszuwerden: Akklimatisation oder Abstieg. Die Symptome von AMS können durch Kopfschmerzmedikamente oder Diamox gemildert werden, aber die Ursache wird dadurch nicht bekämpft.
Leichte AMS ist ab einer gewissen Höhe sozusagen der Normalfall, der zwar unangenehm ist, sich aber mit zunehmender Akklimatisation wieder bessert. Solange nur ein oder zwei der obigen Symptome auftreten, muss nicht notwendigerweise abgestiegen werden, aber man sollte auf weitere Aufstiege erst mal verzichten.
Mäßige AMS zeichnet sich durch Koordinationsschwierigkeiten aus, was man z.B. durch Übungen wie mit geschlossenen Augen auf einer geraden Linie laufen feststellen kann. Bevor sich die Symptome verschlimmern und der Erkrankte gar nicht mehr laufen kann, sollte er sofort absteigen. Bereits ein paar hundert Meter tiefer sollte sich der Zustand schnell bessern. Nach ein bis drei Tagen Aufenthalt in geringerer Höhe kann wieder aufgestiegen werden.
Schwere AMS bedeutet Kurzatmigkeit auch bei Ruhe, Unfähigkeit zu gehen und schlechte geistige Verfassung. Sofortiger Abtransport 500-1000 Meter tiefer ist nötig, sonst kann sich ein Lungenödem entwickeln.

Im Zusammenhang mit AMS kann es in großer Höhe auch zu Netzhautblutungen kommen, deren genaue Ursachen unbekannt sind; sie haben i.A. keine weiteren Folgen.

Höhen-Lungenödem (engl.: high altitude pulmonary edema, HAPE)

Im gegenüber der Heimathöhe geänderten Luftdruck entwickeln sich Störungen der Kapillarmembranen zwischen Blutgefäßen und Lungenbläschen. Der Sauerstoffmangel verursacht eine Erhöhung des Blutdrucks im Lungenkreislauf. Das Maß dieser Blutdruckerhöhung ist individuell sehr unterschiedlich. Wasser wird aus den Kapillaren in die Lungenbläschen gedrückt und wirkt als Diffusionshindernis für den Sauerstoff. In den betroffenen Lungenbereichen wird damit eine Sauerstoffaufnahme unmöglich.
Die Folgen bei Nichtbehandlung sind Sauerstoff-Unterversorgung, gestörte Hirnfunktion und Tod. Ein typisches Zeichen des Lungenödems ist rasselndes Atmen (dieses Symptom fehlt aber bei 30% der Erkrankten) und allgemein Atemschwierigkeiten, später Husten mit blutigem Auswurf. Leitsymptom für HAPE ist aber ein plötzlicher, dramatischer Leistungsabfall. HAPE wird oft mit Atemwegsinfekten verwechselt; man sollte im Zweifelsfall immer HAPE annehmen.
Lungenödeme entwickeln sich normalerweise etwa 48 Stunden nach Erreichen einer neuen Maximalhöhe; sie treten meist nachts auf, weil im Liegen der Druck im Lungenkreislauf höher ist als in sitzender Stellung. Nach drei Tagen auf neuer Höhe ist das Risiko, jetzt noch HAPE zu entwickeln, sehr gering. Das Auftreten von HAPE ist nicht notwendigerweise mit vorangehenden AMS-Symptomen korreliert.
Die Behandlung besteht in möglichst sofortigem Abstieg bzw. Abtransport. Mit einigen hundert Metern Abstieg sollte sich rasch eine Besserung abzeichnen. Ist das nicht möglich, dann muss der Erkrankte in den Überdrucksack gesteckt werden - das überbrückt aber nur, ersetzt den Abstieg nicht. Unterstützend kann Nifedipin retard gegeben werden, 20 mg alle 6 Stunden. (Achtung: Nifedipin senkt den Blutdruck im Lungenkreislauf, aber auch im Körperkreislauf.) Dazu auch Sauerstoff aus der Flasche.
Nach der Heilung bleiben keine Dauerschäden zurück. Wer aber schon mal HAPE hatte, könnte ein größeres Risiko haben, wiederum an HAPE zu erkranken.
Als wichtige und eigentlich selbstverständliche Erstmaßnahme auch beim Verdacht auf HAPE wird oft vergessen, dass natürlich eine erhöhte Position des Oberkörpers die Atmung ganz wesentlich erleichtert. Schon bei Verdacht auf sich entwickelndes Lungenödem, umso mehr natürlich bei bereits bestehendem Problem, sollte man also einen Rucksack oder was immer man findet unterlegen, um die Beeinträchtigungen bei der Atmung möglichst zu minimieren.

Höhen-Hirnödem (engl.: high altitude cerebral edema, HACE)

HACE ist die schwerste Form der Höhenkrankheit. Es tritt wesentlich seltener auf als HAPE, ist aber erheblich gefährlicher, da die Todesrate bei 40% liegt. HACE tritt i.A. in Höhen oberhalb 5000 m auf.
Der gestörte Flüssigkeitshaushalt und Sauerstoffmangel im Gehirn verursachen eine Schwellung im Gehirn. Durch den erhöhten Druck entstehen Koordinationsprobleme, Halluzinationen, Bewußtlosigkeit. Neben der direkten Gefahr erhöht sich durch die schlechte geistige und körperliche Verfassung das Risiko von Unfällen z.B. durch Sturz oder Fehleinschätzung des Terrains (z.B. Abrutschen in steilen Schneefeldern, ohne auf Spalten zu achten).
Teilnahmslosigkeit des Betroffenen, Bewusstseinsstörungen, Desorientiertheit sind ein relativ sichere Anzeichen. HACE entwickelt sich im allgemeinen über mehrere Tage.
Sofortiger Abstieg oder Abtransport in geringere Höhe ist notwendig. Zusätzlicher Sauerstoff und Cortison wirken gegen die Schwellung - sollten daher auch dringend gegeben werden - aber der Abtransport ist das einzige Mittel, der Gefahr zu entgehen.
Neben dem sofortigen Abtransport ist als medikamentöse Unterstützung angesagt: Dexamethason 8 mg oder mehr als Erstdosis, danach 4 mg alle 6 Stunden. Chronische Cortison-Schäden sind hier völlig unwichtig, es geht schließlich um lebensrettende Sofortmaßnahmen. Zusätzlich soll Acetolamid (Diamox) 2x250 mg vorteilhaft wirken. Bei nicht sofort möglichem Abtransport Aufenthalt im Überdrucksack. Sauerstoffgabe erst 4-6, später 2-4 l/min.

Allgemeines über Höhenverträglichkeit

Es gibt keine Möglichkeit, die individuelle Höhenverträglichkeit durch irgendwelche Untersuchungen zuhause festzustellen und Vorhersagen zu treffen, wie gut der Einzelne die Höhe vetragen wird. Das Auftreten von AMS und den schwereren Erkrankungen hat auch keinen Zusammenhang mit Alter oder Trainingszustand; einzig sind Jüngere und konditionell Stärkere eher gefährdet, weil sie eventuell ihr Aufstiegstempo zu schnell wählen.
Das Todesrisiko bei Expeditionen wird meist mit 2-3% angegeben. Davon ist zwar "nur" jeder neunte Fall eine direkte Folge von HAPE oder HACE, es ist aber anzunehmen, dass die durch AMS und HACE verursachten Konzentrationsmangel, Halluzinationen und Koordinationsprobleme viele Sturzunfälle und Erfrierungen verursachen. Daher ist es unbedingt wichtig, dass man sich gegenseitig beobachtet und bei möglichen Symptomen Maßnahmen einleitet. Der Erkrankte selbst kann oft nicht einschätzen, dass er überhaupt ein Problem hat.

Der Überdrucksack

Den Überdrucksack (Certec- oder Gamov-bag) sollte jeder, der auf Höhen über 5000 m geht, schon mal ausprobiert haben. Er simuliert durch Überdruck eine geringere Höhe; ein Patient im Sack kann sich dadurch stabilisieren. Normalerweise sind 1-2 Stunden im Certec-Bag genug, sowohl für den Patienten, wir für die Außenstehenden (die ja ständig Luft nachpumpen müssen). Vorsicht ist gegeben bei Patienten, die bekanntermaßen zu Platzangst neigen oder die nicht völlig bewußtseinsklar sind.

Probleme beim Abstieg

Die meisten oben geschilderten Probleme treten beim oder unmittelbar nach dem Erreichen neuer größerer Höhen auf. Es kann aber auch - besonders bei der Gipfeletappe - beim Abstieg zu Höhenproblemen kommen, nämlich genau dann wenn durch die nun geringere Anstrengung das Hyperventilieren scheinbar nicht mehr nötig ist und man dadurch plötzlich in eine Sauerstoffmangel-Situation gerät. So können sich auch im Abstieg HAPE oder HACE-Symptome entwickeln. Bei solchen Problemen ist Diamox möglicherweise von Vorteil, um die Atmung wieder zu beschleunigen.

Medikamente beim Höhenbergsteigen

Generell hat es sich für normal konstituierte Bergsteiger bewährt, keinerlei Medikamente prophylaktisch während der ganzen Zeit im großer (5000-7000) und sehr großer (über 7000) Höhe einzunehmen, denn dadurch könnten Symptome einer möglichen Höhenkrankheit unterdrückt und deren frühzeitige Erkennung entsprechend verzögert werden. Für manche Personen (z.B. Asthmatiker) kann eine gewisse Prophylaxe allerdings sinnvoll sein - in solchen Fällen vor der Abreise den Arzt konsultieren!

Aspirin (Acetylsalicylsäure) / Ibuprofen

Dies sind allgemeine Schmerzmittel, die insbesondere gegen den Höhenkopfschmerz eingesetzt werden können. Außer der Möglichkeit eines Magengeschwürs bei monatelanger Einnahme sind bei Aspirin keine schweren Nebenwirkungen zu erwarten. Bei akut auftretendem Kopfschmerz eine Tablette (bis 800 mg) einnehmen; wenn die Kopfschmerzen daraufhin verschwinden, ist am nächsten Tag ein weiterer Aufstieg vertretbar. Wenn mehr als eine Tablette zur Linderung nötig sind, sollte man eher vorsichtig sein und vor dem weiteren Aufstieg versuchen, die Höhenanpassung zu verbessern, also vielleicht lieber eine Ruhepause weiter unten erwägen.
Ibuprofen scheint gegen Höhenkopfschmerz wirkamer zu sein als Aspirin.
Aspirin hat keine grundsätzlich blutverdünnende Wirkung, sondern hemmt die Blutgerinnung. Es kann daher in großen Höhen sogar die Gefahr von Gehirnblutungen erhöhen. Auch als Prophylaxe gegen Thrombosen wirkt Aspirin nicht (-> besser Heparin, z.B. vor langen Flugreisen).
Wie oben ausgeführt (Verdeckung akuter Symptome), sollten Schmerzmittel grundsätzlich nicht als Prophylaxe gegen Höhenkopfschmerz eingenommen werden, sondern nur um auftretende Beschwerden zu lindern.

Diamox (Acetolamid)

Diamox erhöht die Atemfrequenz, indem es die Ausscheidung über die Niere verstärkt. Damit können insbesondere die nächtlichen Atemprobleme verringert werden. Der mit der verstärkten Urinausscheidung verbundene Flüssigkeitsverlust führt aber zu einer verstärkten Eindickung des Blutes, die man durch viel Trinken kompensieren muss. Es gibt gewisse Nebenwirkungen wie Geschmacksverfälschung und allergische Reaktionen. In europäischen Bergsteigerkreisen ist Diamox als Prophylaxe nicht üblich. Als Notfallmedikament kann es jedoch gute Dienste leisten.

Nifedipin (Adalat)

Nifedipin ist nur als Notfallmedikament im Fall eines Lungenödems nützlich, kann aber auch als Prophylaxe für Personen, die schon früher ein Lungenödem hatten, eingesetzt werden. Es wirkt blutdrucksenkend sowohl im Lungenkreislauf (wo es erwünscht ist) wie auch im Körperkreislauf (wo es nicht unbedingt erwünscht ist - Vorsicht bei allgemein niedrigem Blutdruck, sonst torkelt man beim Abstieg herum).

Dexamethason (Cortison)

ist für die akute Behandlung des Hirnödems nicht zu ersetzen. Prophylaktische Verwendung ist nicht anzuraten, weil es schwere Nebenwirkungen geben kann. Für die akute Behandlung von HACE sollte man sich aber auch keine Gedanken über chronische Schädigungen machen. Erstdosis 8 mg, ggf. mehr, danach 4 mg alle 6 Stunden.

Viagra

Im Gegensatz zu Nifedipin wirkt Viagra selektiv auf den Lungenkreislauf. Aktuelle Studien haben zwar die grundsätzliche Verwendbarkeit gezeigt, aber die Vielzahl der anderen Wirkungen ist in Extremsituationen wie HAPE überhaupt nicht absehbar. Beim jetzigen Kenntnisstand ist ein prophylaktischer wie auch akuter Einsatz nicht zu empfehlen.

Weitere Gesundheitsrisiken in großer Höhe

Erfrierungen

Beim Höhenbergsteigen ist die Gefahr von Erfrierungen deutlich höher als auf Meereshöhe, weil das Blut als Folge der Akklimatisation und des Flüssigkeitsmangels dickflüssiger als normal ist. So werden die Kapillargefäße nicht gut mit Blut versorgt. Schon bei nicht allzu tiefen Temperaturen kühlen Finger und Zehen daher aus. Wir haben im Himalaya kaum je Temperaturen unter -25°C erlebt, trotzdem dort etliche, teils ziemlich ernste Erfrierungen gesehen und auch selbst erfahren.
Das Tückische an Erfrierungen ist, dass man sie oft nicht früh genug bemerkt, weil die gefühllosen Glieder natürlich nicht weh tun. Wenn der Kälteschmerz also allmählich verschwunden ist, muss das nicht unbedingt ein gutes Zeichen sein.

Vorbeugung

  • Warme Kleidung ist natürlich selbstverständlich. Die Kleidung sollte nicht zu eng sein (Socken, Handschuhe), damit sie nicht die Blutzufuhr abdrückt. Finger und Zehen möglichst immer in Bewegung halten (auch dafür sollte etwas Platz vorhanden sein).
  • Da die Hauptgefahr in der Dehydrierung besteht, sollte man auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten.
  • Die Sonne suchen: Besonders bei Pausen, oder wenn es beim Spuren im tiefen Schnee nicht weitergeht, sollte man Hände und Füße möglichst der Sonne zuwenden. In einer Spur im tiefen Schnee ist es schattig, die Ausrichtung der Füße macht durchaus einen Unterschied.

provisorische Erstbehandlung

  • Erfrorene Glieder wärmt man in etwa körperwarmem Wasser auf, aber erst, wenn sichergestellt ist, dass ein nochmaliges Erfrieren ausgeschlossen ist. Vorsicht beim Schuhe ausziehen: Möglicherweise kann man sie mit den geschwollenen Füßen nicht mehr wieder anziehen.
  • Vor Ort am Berg kann man kaum mehr machen als die Erfrierungen sauber verbinden und den Verband regelmäßig zu erneuern. Besonders wenn sich Blasen gebildet haben, sollte der Bereich möglichst keimfrei gehalten werden, denn Infektionen an diesen (ja wehrlosen) Orten sind das eigentliche Problem bei der Heilung. Wenn man beim Abstieg/der Rückfahrt in wärmere Gegenden kommt (in denen auch größere Infektionsgefahr besteht), wird das immer wichtiger.
  • Die eigentliche Behandlung besteht hauptsächlich darin, eine Infektion zu verhindern und die noch nicht irreversibel geschädigten Nachbarbereiche wieder besser an die Blutversorgung zu koppeln und so den Schaden zu begrenzen. Was abgestorben ist, kann nicht zurückgeholt werden; der Umfang einer Erfrierung kann von außen aber nicht zweifelsfrei beurteilt werden. Meine Erfrierungen wurden zwei Wochen lang stationär mit Infusionen von Prostavasin und Heparin therapiert. Die Dosierung der Infusionen muss täglich kontrolliert und eingestellt werden. Daher ist zu erwägen, ob man eine Behandlung schon im Gastland beginnt (sie dort aber eine gewisse Zeit durchziehen muss) oder schnellstmöglich nach Hause kommt und sich dort behandeln lässt.

Die Hinweise auf dieser Seite sind nicht rechtlich verbindlich. Ich habe mir zwar alle erdenkliche Mühe gegeben, meine Erfahrungen zusammen mit den Ausbildungsinhalten, die ich genossen habe, hier wiederzugeben - aber das Lesen dieser Seite ersetzt keinen Arztbesuch. Ich übernehme keine Haftung für die Richtigkeit der Inhalte auf dieser Seite. Sprechen Sie vor einer Reise in große Höhen mit Ihrem Hausarzt oder einem Facharzt, der für diese Thematik ausgebildet ist.
Die auf dieser Seite aufgeführten Notfallmaßnahmen beziehen sich im Allgemeinen auf eine Trekking/Expeditions-Situation, wo professionelle Hilfe nicht in absehbarer Zeit verfügbar ist. In den Alpen kann in vielen Punkten auf die gut funktionierende Rettungskette zurückgegriffen werden.

Weiterführende Literatur im WWW

Die Links auf der Link-Seite sind wahrscheinlich auf aktuellerem Stand.
Die Bezeichnungen verschiedener auf dieser Seite erwähnter Substanzen sind geschützte Warenzeichen. Das Fehlen einer Kennzeichnung hier heißt nicht, dass die Bezeichnungen frei verwendbar wären.
© Hartmut Bielefeldt

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Überarbeitet am Mittwoch, 27. Juli 2005 durch Hartmut Bielefeldt
Letzte Änderung am Montag, 1. Juli 2013. / Februar 2018: endlich noch ein paar Rechtschreibfehler korrigiert. Sind immer noch welche drin? Bitte Bescheid geben! (Falls das hier überhaupt mal jemand liest)