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Matterhorn (Hörnligrat; 4478 m)
Bericht 3.-5. August 1996
Der "klassische" Blick aufs Matterhorn
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Es muß ja irgendwann mal sein. Jeder Bergsteiger wird mich verstehen: Wer im Gespräch mit dem
(sozusagen durchschnittlichen) Nicht-Bergsteiger aufs Thema kommt, endet unweigerlich in der
Frage "Ja wenn du Bergsteiger bist, hast du dann das Matterhorn schon gemacht?". Weiter im Osten
mag es vielleicht manchmal der Watzmann sein oder der Großglockner, aber am Ende reduziert sich
das Ganze irgendwann mal eben doch aufs Matterhorn.
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Diese Schmach war uns auf Dauer zuviel, und so haben wir denn auch diesen Buckel
in Angriff genommen. Genauer gesagt ist es der zweite Angriff, letztes Mal lag noch zuviel
Schnee.
Wir gönnen uns nur die Bahn von Täsch nach Zermatt und lassen den ganzen Aufstieg über
Zum See (wo übrigens seit einigen hundert Jahren schon kein See mehr ist) und Schwarzsee
(den gibt's noch)
zur Hörnlihütte (3260 m) auf uns wirken, gute 1600 Meter. Das Wetter ist noch ein wenig komisch:
Als wir an der Furka übernachteten, hatte es sogar noch gegraupelt; den ganzen Tag
ist es ziemlich bewölkt, erst am Abend macht es auf.
Am Sonntag verlassen wir die Hütte um zwanzig nach vier. Fünf Stunden später haben wir
die Solvayhütte (4003 m) erreicht. Eine wirklich genaue Routenbeschreibung würde meine
Homepage sicher sprengen, aber aufwärts ist es meist noch recht einfach zu finden.
Die Moseleyplatten unter- und oberhalb der Solvayhütte sind technisch ganz lustig (III-), wenn
kein Schnee liegt. Weiter oben wird der Fels deutlich kompakter. Nach etwas Herumgehangel an einer
Engstelle kommen wir bald an die Fixseile, die sich von der Schulter bis an den Gipfelhang
durchziehen. Eine Stelle - der allerletzte Steilaufschwung - stellt gewisse Anforderungen
an die Kraft. Der Weiterweg ist ein recht leichter (meist verschneiter) Hang mit
etwa 40° Neigung. Im Aufstieg völlig problemlos, wundert man sich von oben nur,
wie man so was Steiles ungesichert hat heraufkommen können.
am Gipfel
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Der Gipfelgrat ist spektakulär schmal und durch die Tiefblicke in alle Richtungen in
sozusagen wahrhaft schaurige Abgründe
sicherlich einmalig. Wir begnügen uns mit dem Schweizer Gipfel (4478 m), obwohl der
Italiener Gipfel (1 m niedriger) das Gipfelkreuz trägt.
Der Abstieg über den Hörnligrat dauert ungefähr so lange wie der Aufstieg. Theoretisch.
Praktisch sind selbst am Nachmittag noch Leute im Aufstieg, die - quasi um das vollständige Fehlen
alpiner Fertigkeiten zu kompensieren - die strategisch wichtigen Stellen am Berg effizient
zu blockieren wissen.
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Den Staus entronnen, ist es an der Solvayhütte auch schon sechs Uhr nachmittags.
Da wahrscheinlich noch einige Leute hierherkommen werden, beschließen wir, den Abstieg bis zur
Hörnlihütte zu versuchen. An den Abseilstellen unterhalb läuft es erst recht zäh.
Jenseits der Sicherungsstangen ist der Routenverlauf von oben kaum erkennbar,
und so arbeiten wir uns mit ungewissem Ausgang an einigen Abseilhaken (Verhauer?) und
Wegspuren (versprengte Irre
wie wir?) talwärts. Die Zeit verrinnt schnell; um halb zehn ist an Weg praktisch nichts mehr zu erkennen
und ein Weitergehen zu gefährlich. Demzufolge richten wir uns für eine Übernachtung
in dieser einmalig schönen Umgebung ein. Letzteres ist durchaus ernst zu nehmen: Wir
sind zwar nur rudimentär für eine Übernachtung im Freien ausgerüstet, also Biwaksack
und warme Jacke, aber die Lage des Platzes auf einem kleinen Band, 1 1/2 mal 4 Meter
in einer 45° steilen Schutt- und Felsflanke bürgt für die Exklusivität dieses Ortes
und die sogenannte unverbaubare Aussicht. Ungehindert der Ausblick ins
über 2000 m tiefer gelegene Zermatt und auf die Hörnlihütte,
wo pünktlich zur Hüttenruhe um zehn die Lichter ausgehen. Immerhin kann ich auch
mit einem Dösle Bier aufwarten, unerwarteter Luxus in dieser etwas kargen Umgebung.
Nachts wird es einigermaßen kalt (-10°), aber bis auf kalte Füße ist es auszuhalten.
Lediglich die Positionswechsel sind ein bißchen lästig, wenn man wieder mal zu lange in
einer Lage am Fels verharrt hat. Das drohende Gewitter am frühen Morgen findet doch nicht statt,
und gegen fünf begrüßt uns ein recht wolkenfreier Himmel und einige Bergführer, die fünf
Meter über uns entlang der Route aufsteigen. In der Dunkelheit gestern abend hätten
wir den Weg sicher nie gefunden. Die Gegend zwischen Solvayhütte und dem Ende des zweiten
Couloirs sieht immer irgendwie gleich aus, und man verliert sehr schnell den Weg,
wenn man nur kurz nicht aufpaßt. Am zweiten Couloir ist wieder alles klar, hier gibt es
streckenweise Wegspuren, zwischen denen man nur noch einige Steilstufen abklettern
muß.
Das Wetter ist heute nicht mehr so schön wie gestern:
Nach einiger Sonne während des
Abstiegs zieht es von Italien her immer mehr zu, und ein schneidender Wind kommt
auf. Das dürfte oben an der "Schulter" heute weit weniger
gemütlich als gestern sein.
Aber das muß uns ja nicht mehr interessieren,
denn wir waren ja schon oben, und können auf die Frage aller Fragen endlich "ja"
antworten.. nicht ohne den Hinweis, daß gerade der Paradebuckel ein außerordentlicher
Schrotthaufen ist.
Praktische Hinweise
Hüttenweg
Von Zermatt über Schwarzsee zur Hörnlihütte etwa 5 Stunden, 1600 Höhenmeter. Wer's nicht
ganz so streng will, kann bis Schwarzsee "schummeln" und hat dann nur noch 700 Meter.
Aufstieg
Ganz pauschal: sehr, sehr komplizierte Wegführung. Am besten genau im SAC-Führer nachlesen.
Der Großteil des Weges bis zur Solvayhütte besteht aus ziemlichem Schutt. Das Gelände ist nicht
schwierig, aber äußerst lose. Den richtigen Weg erkennt man meist daran, daß dort der meiste Schutt
schon abgeräumt ist. Dagegen haben irgendwo eingeschlagene Haken nur zu bedeuten, daß sich da mal
wieder jemand verstiegen hat und keine andere Lösung gesehen hat als einen Haken zum Abseilen reinzudreschen.
Bis zur Solvayhütte bleibt man immer mehr oder weniger links des eigenlichen Hörnligrats. Unterhalb Solvay die
Moseleyplatte, mit einigen Sicherungsstiften.
Nach Solvay geht's fünf Meter nach links und dann direkt aufwärts auf die obere Moseleyplatte. Von dort dem Grat
entlang, manchmal nach links ausweichend. Eine Stelle mit Fixseil (meist Stau dort); danach folgt man dem plattigen Gelände aufwärts
(gute, große Abseilhaken) bis zur Schulter, Hier wird der Grat meistens eisig, aber auch die Fixseile beginnen hier. Den Fixseilen
entlang bis zum Beginn des "Daches". Ab hier in entweder steilem Schneehang oder auch mit Weg
(je nach Verhältnissen) zum Gipfel.
Abstieg
Nicht unterschätzen - dauert etwa genausolang wie der Aufstieg. Im oberen Bereich kann man gut abseilen;
das ist aber im unteren schuttigen Bereich schwierig. Der ganze Weg ist aber immer sogenanntes
"Absturzgelände", jeder Fehler wäre also möglicherweise der letzte. Von oben ist die
Wegführung auch bei weitem nicht so leicht erkennbar wie von unten. Schon beim Aufstieg versuchen,
sich genau alles einzuprägen, sonst gibt es im Abstieg tausenderlei Möglichkeiten, irgendwo im Nirwana zu
landen.
Sonstiges
Telefon Hörnlihütte: +41 27 967 2769 (im Tal: 967 5468)
Führer/Karte
Führer:
- SAC, "Hochtouren im Wallis" (CD-ROM, 1998), Routen 318a,b (Hütte), 341 (Aufstieg), 342 (Abstieg)
- SAC, "Walliser Alpen 3" (1993), Routen 16 (Hütte), 1106 (Aufstieg), 1107 (Abstieg)
Landkarte:
- 1:50000 LKS 283S "Arolla", 284S "Mischabel" (Hüttenweg)
- 1:25000 LKS 1347 "Matterhorn", 1328 "Monte Rosa" (Hüttenweg)
© 1997 Hartmut Bielefeldt
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Letzte Änderung am Freitag, 9. August 2002 durch Hartmut Bielefeldt
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